Zwei Teams, ein Ziel

Manchester City und der FC Chelsea werden am 29. Mai das Champions-League-Finale dieser verrückten Saison 2020/21 austragen. Drei Gedanken zum Endspiel der Königsklasse und den beiden Protagonisten:

1: Beide Halbfinal-Paarungen waren am Ende eine ganz deutliche Angelegenheit. Manchester City erdrückte Paris Saint-Germain über weite Strecken der beiden Partien, ähnlich klar waren die Kräfte zwischen dem FC Chelsea und Real Madrid verteilt. Während die amtierenden Meister aus Frankreich und Spanien im nächsten Jahr einen neuen Anlauf starten müssen, stehen sich Chelsea und City in einem rein-englischen Finale gegenüber. Die beiden Premier-League-Clubs waren in ihren jeweiligen Paarungen klar die bessere Mannschaft. Das Team von Pep Guardiola dominierte PSG phasenweise nach Belieben – das Weiterkommen schien zu keinem Zeitpunkt wirklich in Gefahr zu sein. Man muss natürlich dazusagen, dass Kylian Mbappé im Hinspiel schrecklich und im Rückspiel gar nicht spielte. Dennoch war die Konstanz und Abgeklärtheit Citys über 180 Minuten beeindruckend. Gleiches gilt für den FC Chelsea, der gegen die Königlichen aus Madrid auf dem Papier eher als Außenseiter in die beiden Duelle ging. Schon beim 1:1 in der spanischen Hauptstadt waren die Blues die bessere Mannschaft, im Rückspiel an der Stamford Bridge hätte sich Real auch nicht über eine heftige Klatsche beschweren dürfen. 3,9 xG für Thomas Tuchels Team und nur 0,5 für das Star-Ensemble von Zinedine Zidane – das ist die deutlichste Diskrepanz in einem Halbfinalspiel, seit die Expected-Goals-Metrik getrackt wird (2014). Es lässt sich nicht bestreiten, dass in beiden Paarungen der verdiente Finalteilnehmer ermittelt wurde.

2: Dass zwei englische Mannschaften samt Trainer- und Betreuerstab inmitten einer globalen Pandemie in die Türkei fliegen, um ein Fußballspiel auszutragen, würde sich mir nicht erschließen. Zur Einordnung: Manchester und London trennen 260 Kilometer Luftlinie. Von Manchester nach Istanbul sind es 2.700 Kilometer, von London aus wenigstens „nur“ 2.500. Selbst in einem normalen Jahr würde diese Konstellation zumindest vereinzelte Augenbrauen anheben, aktuell würde sie an verantwortungslose Absurdität grenzen. Deshalb ist es die einzig richtige Entscheidung, dieses Finale im Londoner Wembley-Stadion auszutragen.

3: Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich würde beiden Mannschaften den Sieg gönnen. Seit Jahren schrammt Pep Guardiola mit den Citizens am ganz großen Wurf vorbei – meistens selbst verschuldet. Jedes Jahr haperte es an einer anderen Stelle, immer fehlte ein kleines Stück, um den seit Jahren wunderschönen Fußball mit einem Henkelpott zu krönen. Nun scheint es Pep aber geschafft zu haben, die richtige Balance aus individueller Klasse und Teamgeist gefunden zu haben. Die Skyblues treten als Einheit auf, sind taktisch diszipliniert, ohne aber ihre Ausnahmekönner in deren Freiheiten einzuschränken. Das Spiel von City ist geprägt von einer Unausweichlichkeit – ich weiß nicht, wie ich es besser beschreiben könnte. Man zweifelt nicht (mehr) an dem Plan, der hinter jeder noch so kleinen Aktion auf dem Rasen steckt. In den letzten Monaten spielt City effizienten und zugleich ansehnlichen Fußball. Sie sind aktuell wohl das beste Team der Welt und gehen deshalb völlig zurecht als Favorit in dieses Endspiel.

Auf der anderen Seite kann man nur den Hut davor ziehen, was Thomas Tuchel in den vergangenen Monaten geleistet hat. In kürzester Zeit hat er aus einem kriselnden, unerfahrenen Team einen verdienten Champions-League-Finalisten gemacht. Er hat die Defensive nicht nur stabilisiert, sondern direkt auf ein elitäres Niveau gebracht. 25 Spiele unter Tuchel, 18-mal zu Null! Lässt man das verrückte 2:5 gegen West Brom außen vor, haben die Blues 0,25 Tore pro Partie kassiert. In diesen 25 Spielen ging es für Tuchel unter anderem zweimal gegen Peps Manchester City – beide Duelle gewann Chelsea. Zwar sollte man vor allem den Sieg am vergangenen Wochenende nicht auf die Goldwaage legen, dennoch wird das mindestens ein Motivationsschub für die Tuchel-Truppe sein. Chelsea ist in meinen Augen zwar der klare Außenseiter, hat aber das Potenzial, jede Mannschaft zu schlagen. Man kann nicht genug betonen, wie beeindruckend diese Leistungen unter Tuchel sind, wenn man bedenkt, wie dysfunktional diese Mannschaft noch zu Beginn des Jahres unter Frank Lampard war. Manchester City gegen den FC Chelsea, Pep Guardiola gegen Thomas Tuchel. Beide wollen unbedingt die Champions League gewinnen. Ich habe richtig Bock auf dieses Finale!

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