Alle Jahre wieder – im Vorfeld der NBA-Saison 2021/2022 dürfen sich die Lottery-Teams die Top-Talente des Draft-Jahrgangs sichern. Drei Namen stehen vermutlich bei jeder Franchise weit oben auf der Wunschliste: Cade Cunningham, Evan Mobley und Jalen Suggs. Ich erzähle euch heute, was die drei Youngster so stark macht und bei welchen NBA-Teams ich sie am liebsten sehen würde.
Cade Cunningham: Die meisten Experten sind sich einig, dass Cunninghams Name der erste sein wird, den Commissioner Adam Silver am Draft-Abend ausruft. Der 19-Jährige ist der unangefochtene Star der Oklahoma State University und lässt die Fans von Lottery-Teams schon jetzt von einer glorreichen Zukunft träumen. Die Skills eines Point Guards im Körper eines Forwards – Cunningham bringt alles mit, was ein künftiger Franchise-Spieler braucht. 2,03 Meter und knapp 100 Kilogramm, gepaart mit starkem Ballhandling, elitären Playmaking- und Passing-Skills sowie einem für sein Alter außergewöhnlichem Spielverständnis. Obwohl er bei den Cowboys den Alleinunterhalter spielen muss und nicht selten von mindestens zwei Gegenspielern verteidigt wird, schafft er es immer wieder, seine Mitspieler in Szene zu setzen. Seine 3,5 Assists pro Partie springen nicht gerade ins Auge – das liegt aber zumeist eher an dem Talentlevel seiner Mitspieler als an der Qualität von Cunninghams Zuspielen. Neben seinem Playmaking ist auch Cunninghams Defense sehr vielversprechend. Mit körperlichen Gardemaß und Agilität ist er in der Lage, alle fünf Positionen kompetent zu verteidigen. Sowohl als Point-of-Attack-Defender als auch als Off-Ball-Helper zeigt der gebürtige Texaner regelmäßig, dass er auch in der NBA ein starker Verteidiger sein könnte. Mit 6,7 Rebounds im Schnitt ist er außerdem sehr aktiv an den Brettern.
Auch als Scorer überzeugt der 19-Jährige bislang am College. 19,7 Punkte bei einer Feldwurfquote von 45,5 Prozent sind beeindruckend – vor allem wenn man bedenkt, dass sich gegnerische Defenses komplett auf ihn fokussieren können. Vor dieser Saison war der Jumper das größte Fragezeichen hinter dem Potenzial von Cunningham. Seine Antwort: Überragende 42,5 Prozent getroffene Dreier sowie 85,4 Prozent von der Freiwurflinie. Dennoch bleiben in diesem Bereich letzte Zweifel bestehen. Cunningham ist kein fulminanter Athlet, der mit einem explosiven ersten Schritt nach Belieben an seinem Gegner vorbeiziehen kann. Sein Scoring-Arsenal beruht eher auf physischer Überlegenheit und Kreativität. Kritiker bezweifeln, dass ihn dieses Skillset auch in der NBA zu einer primären Scoring-Option machen wird.
Cunningham könnte zum Verhängnis werden, dass die Erwartungen an ihn schon jetzt enorm hoch sind. Wie vorhin bereits beschrieben: die Skills eines Point Guards im Körper eines Forwards, noch dazu ein ausgezeichneter Basketball-IQ und ein mindestens solider Distanzwurf – es gibt nur zwei aktuelle NBA-Spieler, auf die diese Beschreibung zutrifft: LeBron James und Luka Doncic. Man sollte Cade nicht schon vor seinem Debüt mit dem vielleicht besten Spieler aller Zeiten und dem wahrscheinlich besten Spieler der nächsten Dekade vergleichen. Die Parallelen zum slowenischen Wunderkind der Dallas Mavericks liegen jedoch auf der Hand. Auch bei Luka Magic wurde vermutet, dass seine mangelnde Explosivität ihm in Sachen Scoring Probleme bereiten wird. Nur weil Luka sich in so kurzer Zeit zu einem der besten Scorer der Liga entwickelt hat, darf man von Cunningham nicht das Gleiche erwarten.
Wenn Cunningham auch in der NBA zu einem starken Scorer reifen kann, sind seinem Potenzial keine Grenzen gesetzt. Selbst wenn er noch eine gewisse Eingewöhnungszeit dafür braucht, kann er mit seinem Mix aus Playmaking, Rebounding und Defense schon jetzt jeder Franchise weiterhelfen. Besonders gerne würde ich den 19-Jährigen in Minnesota sehen. Die Timberwolves sind aktuell das schlechteste Team der Liga und ein einziger Trümmerhaufen, haben aber enormes Potenzial. Karl-Anthony Towns ist offensiv einer der besten Bigs der Liga, agiert aber noch zu selten als On-Ball-Creator. Cunningham wäre der perfekte Partner für KAT: Ein Spielmacher, der ihn im Pick-and-Roll in Szene setzen kann, der aber auch als Off-Ball-Gefahr Räume für seinen Center schaffen kann. Er hat in seiner jungen Karriere schon unter Beweis gestellt, dass er sowohl als primärer Ballhandler (Oklahoma State) als auch Off-Ball (Montverde Academy, U-19-Nationalmannschaft) funktionieren kann. Selbst wenn die Wolves das Experiment mit D’Angelo Russell noch über die laufende Saison hinaus fortsetzen wollen, kann Cunningham als nomineller Shooting Guard oder Small Forward auflaufen und damit DLo sogar defensiv noch entlasten. Der amtierende No.1-Pick Anthony Edwards könnte – entweder in der Starting Five oder von der Bank – als weitere Scoring-Option für Furore sorgen, ohne Würfe für seine Mitspieler kreieren zu müssen.
Selbst wenn die Timberwolves am Ende der Saison noch immer die schlechteste Bilanz der Liga haben, haben sie nur eine 14-prozentige Chance auf den ersten Pick. Sollten sie in der Lottery außerhalb der Top-3 landen, müssten sie ihren Pick sogar an Golden State abdrücken. Die Hoffnung auf Cade Cunningham ist also nicht sonderlich groß, aber die Vorstellung eines Cade-und-KAT-Duos ist vielleicht das einzig Positive, an das sich Minnesota-Fans im Moment klammern können.
Evan Mobley: Der Big Man von der University of South Carolina bringt das physische Profil mit, auch in der NBA eine Naturgewalt zu werden. Er paart seine 2,13 Meter und knapp 100 Kilogramm mit bemerkenswerter Mobilität und Schnelligkeit. Mit seiner Größe und stolzen Spannweite von 2,25 Metern ist er auf dem College-Level ein starker Korbbeschützer, macht aber gleichzeitig als Verteidiger am Perimeter und im Pick-and-Roll eine gute Figur. Für einen Spieler seiner Größe verfügt der 19-Jährige über beeindruckende Ballhandling- und Passing-Skills. Er nimmt zwar in dieser Saison bislang kaum Dreier und trifft diese auch nur in 29 Prozent der Fälle, allerdings sieht sein Wurf aus der Mitteldistanz und von der Freiwurflinie sehr solide aus. In der NBA sollte er also langfristig in der Lage sein, zu einem konstanten Dreierschützen zu werden und so die Rolle eines Stretch-Bigs einzunehmen.
Mobleys nackte Zahlen lassen noch ein wenig zu wünschen übrig. Für einen Spieler mit seinem Talent und körperlichen Voraussetzungen tritt er bei den Trojans zu selten als dominante erste Option auf. 16,4 Punkte pro Partie werfen die Frage auf, ob Mobley ein offensiver Eckpfeiler einer NBA-Franchise sein kann. Er ist (noch) kein Center à la Joel Embiid oder Karl-Anthony Towns, der die Halfcourt-Offense seines Teams im Alleingang auf ein gutes Level bringen kann. Phasenweise wirkt der 2,13-Meter-Hüne unkonzentriert, nicht involviert in die Offensivbemühungen seines Teams. Um einen Top-3-Pick in der NBA-Draft zu rechtfertigen, muss Mobley als Scorer aggressiver und konstanter werden. Die nötigen Voraussetzungen dafür hat er allemal.
Ich würde Evan Mobley in der kommenden Saison am liebsten im Dress der Detroit Pistons sehen. Das aktuell schlechteste Team im Osten hat zwar mit Jahlil Okafor und Mason Plumlee in der vergangenen Offseason zwei Center verpflichtet, beide sollten allerdings in den langfristigen Planungen keine entscheidende Rolle spielen. Auch Isaiah Stewart, der 16. Pick der vergangenen Draft, sollte das Pistons-Frontoffice nicht davon abhalten, Mobley zu draften – zumal er ohnehin eher ein Forward ist und auch an der Seite von Mobley auflaufen könnte. Das Wichtigste: Der 19-jährige USC-Center würde zusammen mit Killian Hayes ein Duo bilden, dass in Detroit eine neue Ära einläuten könnte. Die Dienste des französischen Point Guards, der letzte Saison noch für Ratiopharm Ulm in der BBL spielte, sicherten sich die Pistons mit ihrem siebten Pick in der letztjährigen Draft – für viele ein absoluter Steal. Auf dem Papier passen Hayes und Mobley perfekt zusammen und könnten als Pick-and-Roll/Pop-Duo das Herzstück einer starken Offensive bilden. Auch wenn Jerami Grant in dieser Saison wider Erwarten Leistungen auf All-Star-Niveau abliefert, werden die Pistons in naher Zukunft keine Playoff- oder gar Titelambitionen hegen. Mobley und Hayes, von dem wir bislang verletzungsbedingt nur sehr wenig gesehen haben, hätten in Detroit also genug Zeit, sich zu entwickeln.
Jalen Suggs: Was das Potenzial von Jalen Suggs angeht, gehen die Meinungen auseinander. Auf dem Big Board von ESPN ist er inzwischen hinter die beiden G-League-Ignite-Stars Jalen Green und Jonathan Kuminga auf Position 5 gerutscht, bei Tankathon steht er sogar noch vor Cunningham und Mobley ganz oben auf der Prospect-Liste. Mit 1,95 Metern und 95 Kilogramm ist er für einen Guard sehr gut gebaut – noch dazu strotzt er geradezu vor Athletik. Der 19-Jährige ist ein exzellenter Passgeber und Pick-and-Roll-Ballhandler und ist durch seine Schnelligkeit und Explosivität in der Lage, nach Belieben zum Korb zu ziehen. Auch in der Defense versteht er es bislang sehr gut, seine körperlichen Voraussetzungen in gewinnbringende Aktionen umzumünzen. Suggs besticht mit phänomenaler Spielintelligenz – kein Wunder, dass er angeblich auch als Football-Quarterback ein College-Stipendium bekommen hätte.
Suggs‘ größter Vorteil könnte sein Team sein. Der Guard läuft aktuell für die Gonzaga Bulldogs auf, die beste Mannschaft der NCAA und einer der Top-Favoriten auf die Meisterschaft. Die Bulldogs sind mit ihrem Spacing und den vielen Pick-and-Roll-Angriffen eher eine NBA- als eine NCAA-Offense. Suggs ist zwar der beste Spieler des Teams, er macht aber nur die drittmeisten Punkte. Er ist der Anführer seiner Mannschaft, aber keineswegs der einzige talentierte Spieler. Sowohl als primärer Playmaker als auch abseits des Balls hat er alle Freiheiten, ohne dass es sich die gegnerische Defense erlauben kann, sich nur auf ihn zu fokussieren. Für Suggs wird der Schritt vom College in die NBA mit weniger Eingewöhnungszeit verbunden sein, weil er schon jetzt quasi in einem NBA-Team spielt.
Der Jumper wirft bei dem Bulldogs-Guard noch Fragen auf. Am College trifft er 35 Prozent seiner 3,3 Dreier pro Partie – eine solide Quote, wegen der man sich keine allzu großen Sorgen machen muss. Ob er sich in der NBA zu einem elitären Schützen entwickeln kann, darf zumindest bezweifelt werden. Das muss er aber auch nicht – gegnerische Verteidiger müssen seinen Distanzwurf nur genug respektieren, damit er Closeouts am Perimeter attackieren kann.
Mit seiner Rolle in der Gonzaga-Offense, seinen körperlichen Voraussetzungen und seinem Basketball-IQ ist Jalen Suggs ein Prospect, den ich mir in einigen NBA-Teams gut vorstellen könnte. Mein Lieblingsteam für Suggs wären die Oklahoma City Thunder. Shai Gilgeous-Alexander wäre weiterhin der unangefochtene Franchise-Spieler, hätte aber mit Suggs einen perfekten Backcourt-Partner neben sich. Der 19-Jährige hat bewiesen, dass er der primäre Ballhandler einer Offense sein kann, aber eben nicht sein muss. SGA überzeugt zwar in dieser Saison in der Rolle des Anführers, hat aber letzte Saison auch in Drei-Guard-Lineups neben Chris Paul und Dennis Schröder exzellent funktioniert. Mit Shai und Suggs hätten die Thunder, die am Anfang eines Rebuilds stehen, zwei große Guards als Eckpfeiler ihrer Zukunft.