Saisonfazit: Southeast Division

Die NBA-Saison 2020/21 ist vorbei – Zeit für ein Fazit! In Teil 3 schließen wir den Osten ab und beschäftigen uns mit den Teams der Southeast Division: den Hawks, Heat, Hornets, Magic und Wizards.

Atlanta Hawks: Die Hawks waren die aufregendste Cinderella-Story dieser NBA-Saison. Dass diese Truppe bis in die Conference Finals vorstoßen würde, hatte man sich vermutlich nicht einmal in Atlanta zu träumen gewagt. Noch im März vergangenen Jahres beendete man die Spielzeit 2019/20 mit 20 Siegen aus 67 Spielen auf Rang 14 im Osten und konnte vor dem Fernseher verfolgen, wie in der Bubble von Orlando die Meisterschaft ausgespielt wurde. Doch in der Offseason wurde aufgerüstet. Die Verantwortlichen hatten genug vom Rebuild und wollten schnellstmöglich in die Playoffs. Bogdan Bodganovic, Danilo Gallinari und Clint Capela (kam schon im Februar 2020 per Trade aus Houston) sollten den jungen Kern der Hawks verstärken. Mit großen Erwartungen ging man in die neue Saison – nur um zunächst bitter enttäuscht zu werden.

In den ersten 34 Spielen, bevor Nate McMillan den Platz von Lloyd Pierce auf der Trainerbank einnahm, ging man nur 14-mal als Sieger vom Platz. Doch mit dem neuen Coach – und (zu Pierces Verteidigung) einer weniger angespannten Personalsituation – kam der Erfolg. Starke Leistungen auf der Zielgeraden bedeuteten eine Bilanz von 41-31, Platz 5 im Osten und ein Erstrunden-Rendezvous mit den New York Knicks. Dem 4-1 in dieser Serie folgte ein überraschender Triumph in sieben Spielen über die 76ers in der zweiten Runde, bevor in den Conference Finals gegen die Bucks Schluss war. Selbst das Aus gegen Milwaukee war erst besiegelt, nachdem sich Trae Young verletzt hatte. Der 22-jährige Point Guard etablierte sich in diesen Playoffs endgültig als eine der sehenswertesten Attraktionen dieses Sports. Mit 28.8 Punkten und 9.5 Vorlagen pro Partie sorgte er gegen New York, Philly und Milwaukee im Alleingang dafür, dass die Hawks-Offense den gegnerischen Coaches schlaflose Nächte bereitete. Mit seinem Flair, seiner Einer-gegen-Alle-Mentalität und seinen Spielchen mit gegnerischen Fans stellte Young sicher, dass ihm die Liebe der eigenen Anhänger und der Hass der Gegner gleichermaßen zufliegen.

Nach einer solchen Saison kennt der Optimismus in Atlanta zurecht keine Grenzen. Der als Katastrophe abgestempelte Trade, in dem man 2018 Luka Dončić für Trae Young und einen weiteren Pick eintauschte, sieht inzwischen sehr viel weniger verheerend aus. Trae stellte in dieser Saison eindrucksvoll unter Beweis, dass er eine erfolgreiche Franchise anführen kann. „We’ll be back“, sagte er unmittelbar nach dem Aus gegen die Bucks mit einem Fingerzeig auf das Parkett der heimischen State Farm Arena. Man glaubt es ihm, ohne zu zögern. Trae und Bogdanovic bildeten einen Backcourt mit Explosionsgefahr. Capela war der Anker einer zuvor extrem wackligen Defense. Gallinari war ein wichtiger Scorer von der Bank. De’Andre Hunter, Kevin Huerter und Cam Reddish präsentierten sich mindestens in Ansätzen als ein Flügeltrio mit großem Potenzial. Selbst Rookie Onyeka Okongwu deutete in den Playoffs an, dass er ein Teil der langfristigen Planungen sein könnte. Alle soeben genannten Spieler werden in der kommenden Saison voraussichtlich wieder das Hawks-Trikot überstreifen. Ein Fragezeichen steht noch hinter der Zukunft von Restricted Free Agent John Collins, dessen neuer Vertrag ein kostspieliges Vergnügen werden dürfte. Aber egal, ob mit oder ohne Collins – man hat das Gefühl, dass der grandiose Playoff-Run noch lange nicht das letzte Hurra dieses Hawks-Teams war.

Miami Heat: Nachdem die Bubble-Spezialisten vom South Beach einen furchtbaren Start in die Saison erwischt hatten (zwischenzeitlich 11-17), machte sich kurz vor den Playoffs dann doch Optimismus breit. Die Bilanz von 40-32 und Rang 6 im Osten ließen für einen Vorjahresfinalisten zwar zu wünschen übrig, aber immerhin hatte Jimmy Butler mit 21.5 Punkten, 7.1 Assists, 6.9 Rebounds und 2.1 Steals pro Partie gerade die statistisch beste Regular Season seiner Karriere hingelegt. Und auch Bam Adebayo hatte mit 18.7 Zählern und 5.4 Vorlagen Career-Highs aufgelegt und schien endlich über einen halbwegs sicheren Mitteldistanzwurf zu verfügen. „I like our chances“, sagte Heat-Boss Pat Riley vor dem Erstrundenduell mit den Milwaukee Bucks, die man im Vorjahr in der zweiten Runde klar und deutlich mit 4-1 besiegt hatte. Doch die Heat suchten vergeblich nach der Bubble-Magie und wurden von den Bucks sang- und klanglos gesweept. Die Feldwurfquote der beiden Stars im Vergleich zur regulären Saison war bezeichnend für eine Serie, in der gar nichts gelingen wollte: Butler (29.7 statt 49.7%) und Adebayo (45.6 statt 57.0%) sahen gegen Giannis Antetokounmpo, Brook Lopez und Co. kein Land.

Der Absturz vom Finalisten zum Erstrunden-Sparringpartner verdeutlicht, dass die Heat nicht mehr zu den Favoriten im Osten gehören. Die Bucks sind gerade erst Meister geworden, die Nets werden mit ihrer Big Three einen neuen Anlauf starten, und auch mit den Sixers (und Hawks) wird wieder zu rechnen sein. Gibt es überhaupt einen Pfad, der für die Heat zu einer erneuten Finals-Teilnahme führt? Für die kommende Saison stehen aktuell nur Butler, Adebayo, Tyler Herro, Precious Achiuwa und KZ Okpala fest unter Vertrag. Duncan Robinson und Kendrick Nunn, die bislang nur mit Minimalverträgen ausgestattet waren, wird man als Restricted Free Agents halten können, dafür aber vermutlich tief in die Tasche greifen müssen. Ob man die Teamoptionen für Goran Dragić und Andre Iguodala zieht, ist mehr als fraglich. Victor Oladipo kam per Trade aus Houston, verletzte sich aber nach nur vier Einsätzen im Heat-Trikot und wird zu Beginn der neuen Saison wahrscheinlich noch nicht zur Verfügung stehen. Hat der 29-Jährige eine Zukunft in Miami?

Vielen Fragen stehen nur wenige schlüssige Antworten gegenüber. Man könnte viel Cap Space freischaufeln, doch es fehlen die hochklassigen Free Agents, für die eine solche Strategie Sinn ergeben würde. Um Butler und Adebayo via Trade einen dritten Star an die Seite zu stellen, fehlen wohl die Assets – außer man würde Herro und/oder Robinson abgeben. Aktuell ist es nur schwer vorstellbar, dass die Heat mit ihrem derzeitigen Kern nochmals um den Titel mitspielen können.

Charlotte Hornets: Das Ende der Saison ließ aus Hornets-Sicht nur schwerlich den Schluss zu, dass man eine sonderlich erfolgreiche Spielzeit hinter sich hatte. Man beendete die Regular Season mit fünf Niederlagen in Serie, nur sechs Siegen aus den letzten 21 Spielen und einer 117:144-Klatsche im Play-In-Game gegen die Indiana Pacers. Die katastrophalen finalen Eindrücke sollten jedoch nicht zu sehr davon ablenken, dass Charlotte endlich wieder am Tisch der relevanten Franchises sitzen durfte. Die Hornets waren etwas, das sie seit Jahren vergeblich zu sein versucht hatten: Ein Team, dem man gerne zuschaut. LaMelo Ball verpasste 21 Spiele mit einer Handgelenksfraktur, verdiente sich jedoch in seinen 51 Einsätzen den Rookie-of-the-Year-Award redlich. Er legte nicht nur 15.7 Punkte, 6.1 Assists und 5.3 Rebounds auf, sondern war mit seinen spektakulären Pässen zugleich ein wandelndes Highlight-Video. Der jüngste der drei Ball-Brüder war zwar nicht immer die personifizierte Effizienz, bereitete den eigenen (und gegnerischen) Fans aber viel Freude. Leider waren Verletzungen der rote Faden, der sich durch die Saison der Hornissen zog. Neben Ball fiel auch Gordon Hayward, für dessen Vertrag das Front Office vor der Saison noch reichlich Spott geerntet hatte, der dann aber überzeugende Leistungen zeigte, lange aus. Mit Devonte Graham und Cody Zeller fehlten zwei weitere Leistungsträger für mehrere Partien.

Mit Ball, Graham und Terry Rozier verfügen die Hornets über eine vielversprechende Guard-Rotation. Hayward spielte (wenn er auf dem Feld stand) eine sehr gute Saison. Miles Bridges und P.J. Washington machten in ihrer Entwicklung den nächsten Schritt und stehen in der kommenden Saison noch zu günstigen Bezügen unter Vertrag. Die große Baustelle in Charlotte ist die Center-Position. Washington zeigte in Small-Ball-Lineups auf der Fünf gute Ansätze, aber man wird dauerhaft nicht mit Bigs vom Kaliber Zeller und Bismack Biyombo um die vorderen Plätze im Osten mitspielen können. Wenn es den Verantwortlichen gelingt, auf den großen Positionen aufzurüsten, und wenn Hayward fit bleiben kann, ist den Hornets schon 2021/22 eine Top-6-Platzierung in der Eastern Conference zuzutrauen. Zumindest eine erneute Teilnahme am Play-In-Turnier sollte das Minimalziel sein. Die Tage der schmerzenden Irrelevanz könnten für Hornets-Fans bis auf Weiteres der Vergangenheit angehören.

Orlando Magic: Der Trade für Nikola Vučević, mit dem die Chicago Bulls ein deutliches Zeichen in Richtung Playoff-Attacke setzten, war für die andere Seite genauso vielsagend. Mit Vučević und Al-Farouq Aminu wurden zwei Veteranen abgegeben, im Gegenzug kam mit Wendell Carter Jr. ein junges Talent sowie zwei Erstrundenpicks. Evan Fournier (nach Boston) und Aaron Gordon (nach Denver) wurden ebenfalls getradet, die Magic schalteten spätestens zur Trade-Deadline komplett in den Tanking-Modus. Eine Bilanz von 21-51, Platz 14 im Osten – Mission erfüllt. Die Magic gehörten sowohl offensiv (Offensivrating 105.1, ligaweit Platz 29) als auch defensiv (Defensivrating 114.5, 26.) zu den schlechtesten Teams. Die Lottery lief dann allerdings nicht nach Plan. Nachdem man von zwei Teams mit besseren Records überholt wurde, steht man nun nur mit dem fünften Draftpick da. Zusammen mit der achten Auswahl, die man in dem Vučević-Trade von den Bulls ergattern konnte, könnte man versuchen, einen der ersten vier Picks zu bekommen – schließlich sind sich die meisten Experten einig, dass sich Cade Cunningham, Jalen Suggs, Evan Mobley und Jalen Green deutlich von den restlichen Talenten dieses Jahrgangs abheben. Aber Stand jetzt müssen sich die Magic wohl mit zwei angehenden Rookies zufriedengeben, die das große Problem des laufenden Rebuilds vermutlich nicht lösen werden: Man hat keinen Franchise-Spieler.

Jonathan Isaac und Markelle Fultz sind die beiden vielversprechendsten Akteure im aktuellen Magic-Kader. Ersterer stand in der abgelaufenen Saison verletzungsbedingt kein einziges Mal auf dem Parkett, zweiterer konnte nur acht Spiele absolvieren. Für die beiden 23-Jährigen ist es leider nur ein weiteres Kapitel in einer schon jetzt langen Verletzungshistorie. Neben Isaac und Fultz sind der aus Chicago gekommene Wendell Carter Jr., Cole Anthony und R.J. Hampton (und Mo Bamba?) die weiteren Hoffnungsträger, aber auch sie sind (noch) nicht gut genug, um als Eckpfeiler der Planungen gelten zu können.

Mit dem großen Veteranen-Schlussverkauf zur Trade-Deadline hat man in Orlando alles auf die Rebuild-Karte gesetzt. Man hat einige junge Spieler im Kader, die als Bausteine dieses Neuaufbaus etablieren könnten. Ansonsten wird man darauf angewiesen sein, die Franchise in den nächsten Jahren über die Draft wieder zurück in relevante Gefilde zu führen. Mit dem fünften und achten Pick der diesjährigen Talentziehung gilt es, unterbewertete Spieler zu finden, die sich vielleicht doch zu Stars (oder zumindest guten Rollenspielern) entwickeln könnten. Dass dies dem Front Office der Magic zuzutrauen ist, steht außer Frage. Schließlich waren Jeff Weltmann, President of Basketball Operations, und John Hammond, General Manager, einst federführend dafür verantwortlich, dass die Milwaukee Bucks einen gewissen Giannis Antetokounmpo an 15. Stelle auswählten. Man darf ihnen also durchaus ein gutes Auge für Rohdiamanten zusprechen, auch wenn die Draftbilanz der letzten Jahre in Orlando eher dürftig ausfällt. Wie dem auch sei, in der kommenden Saison wird man nicht um die Playoffs mitspielen können – und das will man auch gar nicht. Auf Neu-Coach Jamahl Mosley, der nach sieben Jahren als Assistent von Rick Carlisle in Dallas das Erbe von Steve Clifford antritt, kommen viele Niederlagen und eine Menge Entwicklungsarbeit zu.

Washington Wizards: Für das Team aus der Hauptstadt war das Erreichen der Playoffs ein Erfolg. Oder? Mit einem fulminanten Schlussspurt in der regulären Saison (17 Siege aus den letzten 23 Spielen) und einem Sieg über die Pacers im Play-In-Turnier erspielte man sich ein Aufeinandertreffen mit den Philadelphia 76ers in der ersten Runde, wo man erwartungsgemäß mit 1-4 den Kürzeren zog. War das genug, um Bradley Beal von einem langfristigen Verbleib zu überzeugen? In Washington ist weiterhin alles darauf ausgerichtet, den bei vielen Kontrahenten sehr begehrten Star bei Laune zu halten. Der 28-Jährige spielte eine fantastische Saison und musste sich im Rennen um den Titel des besten Scorers der Liga mit seinen 31.3 Punkten pro Partie nur Stephen Curry (32.0) geschlagen geben. Ist Beal überzeugt davon, dass an der Seite von Russell Westbrook im Osten für Furore sorgen kann? Russ‘ Zahlen in der Regular Season waren so imposant wie eh und je: 22.2 Punkte, 11.5 Rebounds, 11.7 Assists. Gegen Ende der Saison stieg die Hoffnung, dass er auch in den Playoffs starke Leistungen zeigen könnte. Doch seine Zahlen – und vor allem seine Wurfquoten – brachen komplett ein, auch weil er gegen die Sixers angeschlagen war.

Angesichts der Tatsache, dass die Wizards Westbrooks Monster-Vertrag höchstwahrscheinlich ohnehin nicht loswerden können, wird er auch in der kommenden Saison zusammen mit Beal den Kern des Teams bilden. Die große Frage wird sein, ob es Neu-Coach Wes Unseld Jr. schaffen wird, das Maximum aus dem Star-Backcourt herauszuholen, ohne dabei die Defensive zu vernachlässigen, wie das in den letzten Jahren in Washington gang und gäbe war. Unseld Jr. war zuletzt ein hoch angesehener Assistent bei den Denver Nuggets und hatte dort maßgeblichen Anteil am Aufstieg der Franchise. Außerdem ist sein Vater, Wes Unseld Sr., eine Wizards-Legende, der die Hauptstädter – damals noch als Washington Bullets unterwegs – 1978 zur einzigen Meisterschaft der Franchisehistorie führte.

Auf Unselds Schultern lastet nun viel Verantwortung. Die Qualifikation für die Playoffs war ein erster Schritt, doch in der kommenden Saison muss man auf dieser Leistung aufbauen. Beal kann in der nächsten Offseason Free Agent werden – ihn ohne Gegenwert zu verlieren wäre der absolute Super-GAU für Washington. Die abgelaufene Spielzeit lieferte wenig Klarheit, ob sich die Wizards tatsächlich auf dem richtigen Weg befinden. Davis Bertans rechtfertigte seinen neuen, hochdotierten Vertrag nur bedingt. Deni Avdija und Rui Hachimura zeigten vielversprechende Ansätze, stehen aber noch am Anfang ihrer Entwicklung. Thomas Bryant fiel für einen Großteil der Saison aus. All diese Spieler haben noch Luft nach oben, doch der Druck auf zeitnahe Verbesserung ist groß. Man wird es sich nicht erlauben können, die Saison 2021/22 erst in der Nachbetrachtung zu bewerten. Sollten sich die Zeichen verdichten, dass Beal nicht in Washington bleiben will, muss bis zur Trade-Deadline gehandelt werden. Es braucht also so viele Siege wie möglich – und das so schnell wie möglich.

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