Die NBA-Saison 2020/21 ist vorbei – Zeit für ein Fazit! In Teil 5 kümmern wir uns um die Mannschaften der Pacific Division: die Clippers, Kings, Lakers, Suns und Warriors.
Los Angeles Clippers: Über die Clippers fiel das eine oder andere Wort bereits im gestrigen Teil zur Northwest Division, als es um die Utah Jazz ging. Denn nach vier Siegen in Folge – inklusive eines fantastischen Comebacks in Game 6 – bezwang man das beste Team der Regular Season und zog zum ersten Mal in der Franchisegeschichte in die Conference Finals ein. Dort waren allerdings die Phoenix Suns ein zu starker Kontrahent, zumal Superstar Kawhi Leonard nicht ins Geschehen eingreifen konnte. Kann man den Clippers also im Endeffekt einen Vorwurf machen, dass sie ohne einen der besten Basketballer der Welt nicht in der Lage waren, bärenstarke Suns zu besiegen?
Denn bis zu Kawhis Verletzung lief eigentlich alles nach Plan. Die reguläre Saison beendete man (absichtlich) auf Rang 4 im Westen (47-25). Kawhi und sein kongenialer Partner Paul George wussten zu überzeugen und waren hauptverantwortlich dafür, dass die Clippers die viertbeste Offensive der Liga stellten (Offensivrating 117.6). „Das andere L.A.“ war die einzige Franchise, die gleich zwei Spieler zu All-NBA-Plätzen beglückwünschen durfte – Kawhi wurde ins First Team gewählt, PG landete im Third Team. Alles war angerichtet für einen tiefen Playoff-Run. Dass man in der ersten Runde gegen Dallas über sieben Spiele gehen musste, zeugte zwar nicht gerade von Souveränität, stellte aber auch die Resilienz dieses Teams unter Beweis. Der bereits erwähnte Triumph gegen Utah war durchaus beachtlich. Doch dann machte Leonards Kreuzband seinem Team einen Strich durch die Rechnung.
Noch ist nicht mit Sicherheit absehbar, wie sich die schwere Verletzung auf die kommende Saison auswirken wird. Im besten Fall könnte Kawhi wohl anpeilen, „nur“ die erste Hälfte der regulären Saison verpassen. Der Worst Case würde bedeuten, dass der 30-Jährige 2021/22 gar nicht zum Einsatz kommt. Selbst wenn Kawhi rechtzeitig vor den Playoffs zurückkehren kann, wird er nicht sofort wieder bei 100 Prozent sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Titelträume der Clippers bereits vor Saisonbeginn zerschlagen haben, ist relativ hoch. Es wäre das dritte Jahr des Kawhi-PG-Duos, mit dem die Championship-or-Bust-Ära eingeläutet wurde, und man würde noch immer ohne Titel dastehen.
Neben Kawhis Krankenakte wird auch sein Vertrag in den kommenden Wochen und Monaten ein großes Thema sein. Wenn er nicht Gebrauch von seiner Spieleroption für die kommende Saison macht, könnte er als Free Agent ein neues Arbeitspapier unterschreiben. Die Clippers werden ihn um jeden Preis halten wollen, aber beruht dieses Bestreben auf Gegenseitigkeit? Vermutlich schon. Kawhi hat viele Steine ins Rollen gebracht, um in seiner kalifornischen Heimat spielen zu können. Aber er muss überzeugt davon sein, dass er in L.A. um die Meisterschaft mitspielen kann. Wie genau der Clippers-Kader in der kommenden Saison aussehen wird, steht teilweise noch in den Sternen. Mit starken Leistungen haben sich Reggie Jackson und Nicolas Batum, die beide mit einem Minimalvertrag ausgestattet waren, auf einmal ein komplett neues Preisschild verpasst. Selbst einen der beiden Veteranen zu halten, könnte ein kostspieliges Unterfangen werden.
Die Clippers gehen mit einer Menge Ungewissheit ins Jahr 2021/22. Selbst ohne Kawhi müsste man das Zeug dazu haben, um die Playoffs mitzuspielen. Wird man den Superstar, für den das Konzept des Load Managements quasi erfunden wurde, so schnell wie möglich zurück aufs Parkett bringen wollen, um vielleicht doch einen tiefen Playoff-Run anzupeilen? Oder gibt man ihm lieber die ganze Spielzeit frei, um dann 2022/23 wieder voll anzugreifen? Die Antworten auf diese Fragen werden den Saisonverlauf der Clippers maßgeblich beeinflussen.
Sacramento Kings: Die Kings sind einmal mehr extrem schwer einzuordnen. Kaum eine Franchise verkörperte das Niemandsland der NBA in der abgelaufenen Saison mehr. Das Offensivrating von 113.6 (11.) konnte sich eigentlich sehen lassen, die Defensive (117.2) war jedoch die schlechteste der gesamten Liga. Dementsprechend landete man mit einer Bilanz von 31-41 auf Rang 12 im Westen – ohne Chance auf die Playoffs, aber auch mit schlechten Lottery-Odds. Zwei junge Guards stachen positiv heraus: De’Aaron Fox legte in seiner vierten NBA-Saison mit 25.2 Punkten und 7.2 Assists mehr als solide Zahlen auf. Rookie Tyrese Haliburton, den sich Sacramento mit dem 11. Pick der Draft sichern konnte, machte im Schnitt 13.0 Punkte, gab 5.3 Vorlagen und traf 40.3% seiner Dreier. Der 21-Jährige war der große Steal der letzten Talentziehung und steht erst am Anfang seiner Entwicklung. Obwohl man sich bei Fox nicht sicher sein kann, ob er tatsächlich eines Tages All-Star- oder gar All-NBA-Niveau erreichen kann, scheinen die Kings ein Backcourt-Duo gefunden zu haben, an dessen Stärken sie den Rest des Kaders in den nächsten Jahren anpassen können.
Ansonsten strotzt das Team jedoch nicht gerade vor vielversprechenden Talenten – außer man glaubt noch an das Star-Potenzial von Marvin Bagley III. Es scheint aber eher unwahrscheinlich, dass dieser in Sacramento sein Potenzial ausschöpfen kann. Ein Trade könnte für beide Seiten die beste Option sein. Mit Harrison Barnes, Buddy Hield und Richaun Holmes hat man drei Rollenspieler in ihrer Prime im Kader, die das Team allerdings nicht zu einem ernsthaften Anwärter auf die Playoffs machen. Holmes wird Unrestricted Free Agent und könnte die Kings verlassen, für Hield und Barnes sollte zumindest den Trademarkt sondieren. Mit dem neunten Pick der diesjährigen Draft muss man versuchen, wieder so einen Steal wie Haliburton zu landen.
In der NBA gibt es generell zwei Wege, dem gefürchteten Mittelmaß zu entkommen. Entweder man riskiert viel und opfert künftige Assets, um in den Win-Now-Modus zu schalten. Oder man bleibt geduldig, draftet Talente, entwickelt die eigenen jungen Spieler. In meinen Augen sollten die Kings den zweiten Weg wählen, ob sie jedoch weitere Jahre der Erfolglosigkeit in Kauf nehmen wollen, ist fraglich. Man weiß nie, was auf dem Trade- oder Free-Agency-Markt passieren wird, aber ich sehe aktuell keinen Weg, wie Sacramento schon nächstes Jahr in den Playoffs eine nennenswerte Rolle spielen kann.
Los Angeles Lakers: Ach ja, die Lakers. Vor der Saison als klarer Favorit proklamiert, angeführt von LeBron James und Anthony Davis. Hätte man vor der Saison behauptet, die Lakers verlieren 30 Spiele, landen auf Rang 7 im Westen und scheiden in der ersten Runde gegen die Phoenix Suns aus – man wäre für verrückt erklärt worden. Aber genau so kam es für die Mannschaft, die zwar die beste Defensive der Liga stellte (Defensivrating 107.1), die offensiv jedoch nie ins Rollen kam.
Der Hauptgrund für die Schwierigkeiten der Lakers lässt sich nicht wegdiskutieren: Verletzungen. Ja, der Kader war rückblickend nicht ideal zusammengestellt, aber das war er im Vorjahr auch nicht. Damals stand das nicht im Weg einer Meisterschaft, LeBron und AD in Bestform waren genug. Der King absolvierte nur 45 Regular-Season-Spiele, Davis sogar nur 36, in denen er weit entfernt von seiner Bestform war. Doch trotz der Verletzungssorgen führte man gegen Phoenix mit 2-1, Davis hatte gerade in Games 2 und 3 jeweils 34 Punkte gemacht, die Lakers gewannen beide Spiele. Doch dann verletzte sich AD erneut und fiel de facto für den Rest der Serie aus. Wie fällt also das lila-goldene Saisonfazit aus? Trotz der Gewissheit, dass man mit einem fitten Star-Duo vermutlich um den Titel hätte mitspielen können, war die Saison eine große Enttäuschung.
LeBron James wird Ende des Jahres seinen 37. Geburtstag feiern. Auch wenn es an Blasphemie grenzt, die folgenden Worte auszuschreiben: Seine biologische Uhr tickt. Wie lange kann der King noch auf All-NBA-Niveau abliefern? Ein Jahr? Vielleicht zwei? Die Saison 2020/21 hat einmal mehr gezeigt, dass James zwar phasenweise ein MVP-Kandidat sein kann, dass sein Körper ihn jedoch langsam aber sicher im Stich lässt. Die Lakers müssen erneut in der Offseason aktiv werden, um die (lächerlich lange) Prime von LBJ bestmöglich auszunutzen. Aber wie lässt sich der aktuelle Kader in der Offseason wieder aufpolieren? Wie immer, wenn es um die Glamour-Franchise von der Westküste geht, überschlagen sich die genannten Namen und Gerüchte. DeMar DeRozan, Kyle Lowry, Chris Paul, Buddy Hield – viele große Namen, aber nur wenige realistische Wege. Erfahrungsgemäß werden die Lakers irgendeinen Deal aus dem Hut zaubern. Aber Assets sind eher Mangelware. Kyle Kuzma und Kentavious Caldwell-Pope hat man Berichten zufolge bereits weit und breit angeboten, diese beiden scheinen die heißesten Abschiedskandidaten zu sein. Eine spannende Personalie wird auch Talen Horton-Tucker sein. Der 20-Jährige passt nicht wirklich in den derzeitigen Zeitplan der Lakers und wird Restricted Free Agent. Kann man sich erlauben, das junge Talent ohne Gegenwert ziehen zu lassen, wenn ein anderes Team ernstmacht? Oder gibt man ihm auf jeden Fall einen neuen Vertrag und tradet ihn anschließend? Wie hoch wäre sein Tradewert überhaupt noch, wenn er auf einmal ein stattliches Gehalt bezieht?
Die Lakers wollen unbedingt eine weitere Meisterschaft nach L.A. holen, bevor LeBron James seine Karriere beendet (oder wechselt). Mit dem King und AD als Star-Duo werden sie immer zu den Favoriten zählen – vorausgesetzt, die beiden bleiben gesund. Die Saison 2020/21 hat gezeigt, dass nur ein Star nicht ausreicht, um an der Spitze dieser starken Western Conference mithalten zu können.
Phoenix Suns: Hawks oder Suns? Wer war die größte positive Überraschung der Saison? Die Suns hatten bereits mit ihrem 8-0-Run in der Bubble von Orlando angedeutet, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Nach zehn Jahren ohne Playoff-Basketball waren sie auf einmal voll da, angeführt von dem offensichtlich in einen Jungbrunnnen gefallenen Chris Paul. Der Point God entpuppte sich als genau der Anführer, den dieses junge Suns-Team gebraucht hatte, um sein Potenzial auszuschöpfen. Mit 16.4 Punkten und 8.9 Assists war CP3 der Dirigent eines jungen Orchesters, das die Regular Season überraschend mit dem zweitbesten Record (51-21) der gesamten Liga beendete – und damit auf Rang 2 im Westen hinter den Jazz. Neben Paul war Devin Booker der überragende Akteur. Seinen Punkteschnitt von 25.6 schraubte der 24-Jährige in den Playoffs auf 27.3 hoch. Auch wenn ernsthafte Vergleiche mit Kobe Bryant definitiv verfrüht sind, hat sich Booker in dieser Saison als einer der besten Shooting Guards dieser Liga etabliert.
Man muss sich in Phoenix eingestehen, dass man bei diesem phänomenalen Playoff-Run erst in den Finals auf ein Team traf, dass in Sachen Starpower mit voller Kapelle antreten konnte. Den Lakers fehlte der ohnehin angeschlagene AD, die Nuggets mussten ohne Jamal Murray auskommen und die Clippers vermissten in Kawhi Leonard ihren Superstar an beiden Enden des Feldes. Diese Erkenntnis sollte den Stolz, den die Franchise nach Jahren der Irrelevanz empfindet, auf keinen Fall schmälern. Aber es gehört nun mal zur ganzen Wahrheit, dass man es mit etwas weniger Verletzungspech bei den jeweiligen Gegnern vielleicht nicht bis in die Finals geschafft hätte.
Wie geht es für Phoenix nun weiter? Dass Chris Paul seine Spieleroption wohl nicht ziehen will, sondern einen (letzten) langfristigen Vertrag anstrebt, ist ein offenes Geheimnis. Nach dieser nahezu perfekten ersten Saison sollten und werden die Suns alles versuchen, um den Routinier zu halten. Mit Booker (24), Deandre Ayton (23) und Mikal Bridges (24) haben gleich drei Schlüsselspieler ihre besten Jahre noch vor sich. Von Ayton und Bridges kann man bereits in der kommenden Saison einen weiteren Entwicklungsschritt erwarten, vielleicht hat auch Booker noch Luft nach oben. Mit Ausnahme von Cameron Payne stehen alle Akteure, die in den Finals mehr als 15 Minuten pro Spiel auf dem Parkett standen, auch in der kommenden Saison unter Vertrag. Die Suns dürften auch 2021/22 wieder ein gefährliches Team sein, auf das man in einer Playoff-Serie lieber nicht treffen möchte. Ob es für eine weitere Finals-Teilnahme oder gar einen Titel reichen wird, ist allerdings fraglich.
Golden State Warriors: Die Warriors hatten große Pläne für diese Saison. Stephen Curry und Klay Thompson waren endlich wieder fit, Draymond Green hatte endlich wieder Lust auf Basketball. Steve Kerr und seine Stars waren bereit für einen Großangriff auf ihren vierten gemeinsamen Titel. Als sich dann jedoch Thompson erneut eine schwere Verletzung zuzog, die ihn für die komplette Spielzeit außer Gefecht setzen würde, mussten all diese Träume begraben werden. Golden State befand sich die komplette Spielzeit über in einem ungewöhnlichen Spannungsfeld. Zum einen wollte man Rookie-Center James Wiseman an der Seite von Steph und Draymond ins kalte Wasser werfen und ihn entwickeln. Schließlich hatte man ihn mit dem zweiten Pick der Draft ausgewählt und sah in ihm einen potenziellen Star-Big der Zukunft. Auf der anderen Seite hatte man jedoch einen Stephen Curry, der wie zu seinen besten Zeiten im Handumdrehen jedem beliebigen Gegner 40 Punkte einschenken konnte. Mit 32.0 Zählern pro Partie wurde Curry zum Top-Scorer, All-NBA-First-Teamer und MVP-Kandidaten. Der Chef in einer solchen Form – da musste man einfach versuchen, in die Playoffs zu kommen. Als Achter im Osten (39-33) verlor man im Play-In-Tournament zunächst gegen die Lakers – und dann auch gegen die Grizzlies. So aufregend es gewesen wäre, Curry und Co. in einem Erstrunden-Matchup gegen die Utah Jazz zu sehen, am Ende reichte es nicht.
Ohne Thompson fehlte die Feuerkraft, um im Ringen der westlichen Giganten ein ernsthaftes Wörtchen mitreden zu können. Das soll sich in der kommenden Saison wieder drastisch ändern. Die Splash Brothers sind (hoffentlich) wieder vereint und bereit für einen neuen Anlauf. Doch damit nicht genug: Die Warriors dürften einer der interessantesten Player auf dem diesjährigen Trademarkt werden. Man hat zwei Lottery-Picks in der kommenden Draft (7 und 14), die man Gerüchten zufolge gerne für einen weiteren All-Star eintauschen würde. Man sollte meiner Meinung nach auch nicht zögern, Wiseman in einen solchen Deal einzubauen. Selbst wenn man davon überzeugt ist, dass der 20-Jährige zum Star reifen kann – er passt einfach nicht in den aktuellen Zeitplan. Curry (33), Thompson (31) und Green (31) neigen sich dem Ende ihrer Prime zu. Eine weitere Meisterschaft mit dieser Warriors-Dynastie muss so früh wie möglich forciert werden, auch wenn man dafür künftige Assets opfern muss.
Wenn man neuesten Berichten Glauben schenkt, sehen das die drei Musketiere ähnlich. Steph, Klay und Dray sollen bei den Verantwortlichen den Wunsch nach einem weiteren Hochkaräter hinterlegt haben – am liebsten Bradley Beal. Ob der Wizards-Star tatsächlich zu haben ist, kann aktuell nur spekuliert werden. Selbst wenn Beal ein unrealistisches Ziel ist, wird sich General Manager Bob Myers ganz genau umhören. Die beiden Lottery-Picks und Wiseman wären ein starkes Paket für Rebuilding-Teams, außerdem hat man den Vertrag von Andrew Wiggins als entsprechendes Gegengewicht für einen gut verdienenden Star. Mit welchem Kader Golden State in die Saison 2021/22 geht, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Es wäre eine schöne Geschichte, wenn dieses Team nochmals um die Larry-O’Brien-Trophy mitspielen könnte.