MixedZone (6)

Heute gibt es eine Spezial-Ausgabe der MixedZone zur NBA-Trade-Deadline. Was bedeutet die Verpflichtung von Nikola Vučević für die Chicago Bulls? Macht Aaron Gordon aus den Denver Nuggets einen Finals-Anwärter? Wie werden sich Daniel Theis, Moritz Wagner und Isaiah Hartenstein bei ihren neuen Arbeitgebern zurechtfinden?

1: Die Chicago Bulls sorgten am Deadline-Day für eine große Überraschung. Nikola Vučević und Al-Faruq Aminu treten die Reise von Orlando in die Windy City an, Wendell Carter Jr., Otto Porter Jr. und zwei Erstrundenpicks wandern im Gegenzug zu den Magic. Kurzfristig macht dieser Deal die Bulls eindeutig besser. Mit Zach LaVine und Vučević stehen Headcoach Billy Donovan nun zwei All-Stars zur Verfügung, die sich am offensiven Ende des Parketts perfekt ergänzen. Die Vorstellung eines LaVine-Vučević-Pick-and-Rolls dürfte gegnerischen Verteidigern schon jetzt Albträume bereiten. Abgesehen von Trae Young, Damian Lillard und Luka Dončić ist LaVine der Spieler, der am häufigsten als Pick-and-Roll-Ballhandler agiert. Bislang musste er sich hauptsächlich mit Carter Jr. als Partner begnügen, der als Abroller kaum Scoring-Gefahr ausstrahlt. Gegnerische Verteidigungen versuchten häufig, das Pick-and-Roll zu trappen oder zu blitzen – also LaVine zu einem Abspiel zu zwingen. Carter konnte die dadurch für ihn entstandenen Freiheiten nicht bestrafen. Vučević hingegen ist einer der besten Passgeber auf den großen Positionen und ist in der Lage, eine Defense aus dem Short-Roll heraus zu sezieren. Außerdem ist der in der Schweiz geborene Montenegriner der beste Pick-and-Pop-Center der Liga und eine Scoring-Gefahr, sobald er die gegnerische Hälfte betritt.

Dass Zach LaVine und Nikola Vučević ein furchteinflößendes Offensiv-Duo bilden werden, steht außer Frage. Aber abgesehen davon, dass es fast unmöglich scheint, mit den beiden All-Stars eine kompetente Defense zu formen, habe ich Zweifel an der Weitsicht dieses Trades. Noch vor wenigen Tagen hatten die Bulls ein junges Team, das zwar um das Play-In-Turnier mitgespielt, aber keine allzu hohen Ansprüche angemeldet hat. Sie befanden sich noch immer im Rebuild und hatten in der letztjährigen Draft mit Patrick Williams gerade erst den nächsten langfristigen Baustein entdeckt. Und jetzt? Jetzt haben sie den 21-jährigen Wendell Carter Jr. und zwei First-Round-Picks abgegeben und bekommen einen 30-jährigen Center, der sie zwar zweifelsohne zu einem besseren Team macht, eigentlich aber nicht in die bisherigen langfristigen Planungen passt. Kann Vučević in einigen Jahren, wenn Talente wie Williams und Coby White langsam in ihre Prime kommen, noch auf All-Star-Level abliefern? Ist LaVine überhaupt der Franchise-Spieler, der die Bulls an die Spitze des Ostens führen kann? Was ist mit Lauri Markkanen? Der Vučević-Trade hat in meinen Augen mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Aber auch wenn einige dieser Fragen in den nächsten Wochen noch offenbleiben werden – zumindest scheint in Chicago ein Teil der lange vermissten „Win-Now-Mentalität“ zurückgekehrt zu sein. Vielleicht reicht es sogar in diesem Jahr schon für einen kleinen Playoff-Run.

2: Aaron Gordon war eines der heißesten Eisen im Deadline-Feuer. Der Forward von den Orlando Magic ist am Ende bei einem Team gelandet, das ihn wie kein zweites gebrauchen kann: die Denver Nuggets. Seit dem Abgang von Jerami Grant in der Offseason fehlt den Nuggets ein vielseitiger Forward, der an beiden Enden des Parketts den Unterschied machen kann. Genau so einen Spieler haben sie sich nun geschnappt. Gordon hat mit 2,03 Metern Gardemaß für einen Flügelspieler, kann mehrere Positionen verteidigen und ist offensiv mit seiner Athletik und seinem sicheren Dreier (37,5 %) eine Waffe. In Orlando war der 25-Jährige nie in einer Situation, in der seine Stärken maximiert wurden. An der Seite von Nikola Jokić und Jamal Murray wird Gordon zu vielen freien Würfen kommen. Außerdem ist er ein gefährlicher Cutter, den der Joker immer wieder auf magische Weise finden wird.

Dieser Move macht aus Denver in meinen Augen nicht direkt einen klaren Titelfavoriten, aber die Nuggets haben sich einen Spieler gesichert, der in den nächsten Jahren neben ihren beiden Stars zu einem wichtigen Rollenspieler werden könnte. Im Gegenzug Gary Harris, R.J. Hampton und einen Erstrundenpick nach Florida zu schicken, halte ich für einen guten Deal. Mit Harris wird ihnen zwar ein wichtiger Backcourt-Verteidiger fehlen, aber die Nuggets-Defense war ohnehin im unteren Drittel der Liga angesiedelt (Platz 21 im Defensivrating). Die Verpflichtung von Gordon hebt die Offense auf ein neues Level, sodass sich eine unterdurchschnittliche Defense schon eher verschmerzen lässt.

3: Daniel Theis, Moritz Wagner und Isaiah Hartenstein wurden am Donnerstag allesamt getradet – Wagner sogar zweimal. Was bedeutet das für die Deutschen? Hartenstein wurde von Denver nach Cleveland geschickt und hat in meinen Augen dort gute Chancen, in seiner Entwicklung den nächsten Schritt zu gehen. Bei den Nuggets konnte sich der 22-Jährige nie wirklich zeigen – im Schnitt stand er pro Partie nur neun Minuten auf dem Parkett. Im Moment hat er noch nicht die Fähigkeiten, um eine nennenswerte Rolle bei einem Playoff-Aspiranten zu spielen. In Cleveland wird Hartenstein hoffentlich mehr Minuten bekommen, könnte hinter Jarrett Allen sogar der zweite Mann in der Center-Rotation werden.

Etwas schlechter ist die Ausgangslage für Moritz Wagner. Innerhalb weniger Stunden ging es für den 23-Jährigen von Washington nach Chicago und weiter nach Boston. Bei den Celtics wird sich Wagner wohl zunächst hinter Tristan Thompson und Robert Williams anstellen müssen – außerdem spielen Jayson Tatum, Grant Williams und Semi Ojeley viele Minuten auf der 4. Hinter dem Trade – Wagner für Theis – steckte aus Celtics-Sicht hauptsächlich das Bestreben, Luxussteuer zu sparen. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass Wagner eine kleine Rolle bei den Kelten einnehmen kann – mit seinem relativ sicheren Dreier (31,1 %) bringt er eine Stärke mit, die Thompson und Grant Williams vermissen lassen. Ich glaube aber leider nicht, dass der Berliner zu einem wichtigen Baustein der Celtics werden kann.

Last but not least, Daniel Theis. Die Chicago Bulls holen sich einen Big Man ins Boot, der seine Stärken in der Defensive hat und zudem mit einem soliden Dreier (34,7 %) zu überzeugen weiß. Theis wird wahrscheinlich nicht direkt die knapp 25 Minuten bekommen, die er in Boston gespielt hat. Es bleibt abzuwarten, wie sich Coach Billy Donovan seine Rotation auf den großen Positionen vorstellt. Nikola Vučević ist als Starter gesetzt, Lauri Markkanen, Thaddeus Young, Al-Farouq Aminu und Patrick Williams werden Theis‘ Kontrahenten im Kampf um die verbleibenden Minuten sein. Der 28-Jährige ist mit seinen 2,03 Metern relativ klein für einen nominellen Center, bringt dafür aber defensive Flexibilität und einen guten Wurf mit – das macht ihn zu einem fähigen Nebenmann für Vučević. Ich bin davon überzeugt, dass Theis in Chicago eine gute Rolle spielen wird. Spannend wird es erst nach der Saison: Der Vertrag des Deutschen läuft aus, ob die Bulls ihn langfristig behalten wollen, ist zumindest fraglich.

Back to top