1: Kampf um die Krone im Westen
Es kommt nicht allzu häufig vor, dass Anfang Dezember in der NBA ein Hauch von Playoff-Atmosphäre aufkommt. Aber in dieser Woche sorgten die Phoenix Suns und Golden State Warriors dafür, dass es genau dazu kam. Die beiden besten Mannschaften des ersten Saisonviertels im doppelten direkten Duell, der Kampf um die Krone der Western Conference – und eine Vorschau auf die Playoffs? Um die Spiele zu analysieren und interpretieren, war ich wieder in Jonathan Walkers Podcast „Jeden Tag NBA“ zu Gast. Deswegen werde ich an dieser Stelle bezüglich der beiden Duelle nicht weiter in die Tiefe gehen. Hört euch dazu einfach die knackige 34-Minuten-Folge an.
Ich möchte aber in aller Kürze kommentieren, was uns die Ereignisse in Phoenix und San Francisco über die nächsten Wochen und Monate verraten haben. Denn obwohl die Suns im zweiten Spiel ohne Devin Booker und back-to-back im Chase Center antreten mussten und obwohl Stephen Curry im ersten Aufeinandertreffen eine der schlechtesten Leistungen seiner Karriere zeigte, haben die 96 Minuten deutlich gemacht: Die Suns und Warriors sind for real! Es ist kein Zufall, dass wir hier über die beiden Teams mit den besten Bilanzen (jeweils 19-4) und den besten Defensiven (Defensivrating 105.1 bzw. 101.1) der Liga sprechen. NBA-Fans konnten vor allem im ersten Duell am Dienstag einen offenen Schlagabtausch zweier tief besetzter und enorm gut gecoachter Mannschaften bestaunen.
Die beiden Meisterschaftsaspiranten werden am ersten Weihnachtsfeiertag erneut aufeinandertreffen – dann hoffentlich wieder mit Booker auf Suns- und mit Klay Thompson und James Wiseman auf Warriors-Seite. Und wer weiß? Vielleicht kreuzen sich ihre Wege auch in den Playoffs – am liebsten natürlich in den Conference Finals, wenn es dann tatsächlich um die Krone im Westen geht. Diese Woche war ein guter Vorgeschmack darauf, was wir von den beiden Teams in einer Sieben-Spiele-Serie erwarten können.
2: Das Ende einer Ära in Portland
Mit der Entlassung von General Manager Neil Olshey scheint nun endgültig eine Ära beendet zu sein, auf die man bei den Portland Trail Blazers mit gemischten Gefühlen blickt. Zum einen zog man seit 2014 acht Jahre in Folge in die Playoffs ein – eine solche Serie hat aktuell kein anderes Team vorzuweisen. Andererseits war in diesen acht Spielzeiten fünfmal in der ersten und einmal in der zweiten Runde Endstation. 2018/19 erreichte man die Western Conference Finals – nur um dort gegen die Warriors sang- und klanglos auszuscheiden. Viele andere Franchises können zwar nur davon träumen, über so viele Jahre hinweg eine feste Playoff-Größe zu sein, aber dennoch muss man das Gefühl haben, dass die Blazers bei Weitem nicht ihr volles Potenzial ausgeschöpft haben.
Auch in der laufenden Saison bleibt Portland wieder weit hinter den eigenen Erwartungen zurück (11-13). Man stellt mal wieder eine katastrophale Defense, obwohl der neue Headcoach Chauncey Billups in dieser Hinsicht der Heilsbringer hätte sein sollen. Laut Cleaning the Glass ist das Defensivrating der Blazers (114.1) aktuell sogar das schlechteste der NBA. Jusuf Nurkić war noch nie ein Fels in der Brandung, ist dieser Tage aber fast schon zu einer Schwachstelle geworden. Robert Covington ist nicht der Perimeter-Stopper, für den man einst zwei Erstrundenpicks nach Houston schickte. (Der war er noch nie, aber das ist eine andere Geschichte.) Und dass ein aus Damian Lillard und CJ McCollum bestehender Backcourt defensiv kaum tragbar ist, weiß man nicht erst seit gestern. Was unter Terry Stotts jahrelang die große Baustelle der Blazers war, konnte bislang auch Billups nicht reparieren. So langsam kommt man wohl auch in Portland zu der Erkenntnis, dass die defensiven Probleme am Personal festzumachen sind, nicht am Coach.
Zu allem defensiven Übel kommt in dieser Spielzeit erschwerend hinzu, dass die Uhren in Portland offensichtlich noch nicht auf Dame Time umgestellt wurden. Der Superstar und Mittelpunkt der Franchise spielt für seine Verhältnisse eine sehr enttäuschende Saison – inklusive schlechtester Dreierquote (30.2%) und Effective Field Goal Percentage (47.1) seiner gesamten Karriere. Aus 28.8 und 30.0 Punkten pro Spiel in den letzten beiden Jahren wurden 2021/22 bislang 21.5 für den 31-Jährigen, dem eine Abdomen-Verletzung offensichtlich zu schaffen macht. Das Absurde: Obwohl Lillards Heldentaten bislang ausbleiben, stellen die Blazers die viertbeste Offense der Liga – 113.3 Punkte pro 100 Ballbesitze. Auch wenn ein Dame in Normalform dieses Team natürlich auf ein anderes Level heben würde – an der Offensive liegt es nicht.
Zu den Problemen auf dem Parkett gesellten sich in den letzten Wochen die Ermittlungen wegen „workplace misconduct“ (Übersetzung: ein A****loch sein) gegen Neil Olshey, die am Ende zu seiner Entlassung geführt haben. Und das alles nach einer Offseason, in der sich Damian Lillard erstmals nicht klar zu seiner Franchise bekannt und dadurch eine Lawine von Tradegerüchten ins Rollen gebracht hat. Wie kann es für die Blazers nun weitergehen? Dass man mit dem aktuellen Kader im Rennen um die Meisterschaft keine allzu guten Chancen hat, sollte inzwischen auch den Verantwortlichen klar sein. Wie lange will man noch an dem Lillard-McCollum-Backcourt festhalten? Wie lange schaut man sich die desolate Defense noch an? Spätestens jetzt, da mit Olshey der Architekt dieses Rosters nicht mehr an Bord ist, muss auf personeller Ebene etwas passieren. Entweder man tauscht McCollum für einen Spieler ein, der die Defense transformieren kann (Ben Simmons?), oder man reißt das komplette Gebilde ein und tradet Lillard für junge Talente und einen Haufen Draftpicks. So oder so – bis zur Trade-Deadline (oder spätestens in der kommenden Offseason) dürfte sich in Portland einiges bewegen.
3: Ist West Ham wirklich ein Top-4-Team?
Nachdem West Ham United die Premier-League-Saison 2020/21 auf Rang 6 beendet und sich für die Europa League qualifiziert hatte, wurde von vielen Seiten infrage gestellt, ob das Team von David Moyes auch in dieser Saison wieder in den oberen Regionen mitspielen kann. Nach 15 Spielen lässt sich festhalten: West Ham mischt wieder im Rennen um die Champions-League-Plätze mit. Nach dem 3:2-Sieg über den FC Chelsea am Samstag stehen die Hammers auf Rang 4 der Tabelle und sind erster Verfolger der drei Schwergewichte an der Tabellenspitze.
Moyes hat es geschafft, die ohnehin schon extrem eingespielte Truppe noch enger zusammenzuschweißen. Mit Linksverteidiger Aaron Cresswell, den beiden Sechsern Tomáš Souček und Declan Rice, Offensiv-Motor Pablo Fornals und Torjäger Michail Antonio verfügt West Ham über eine starke Achse, die schon seit Jahren zusammenspielt und Moyes‘ System verinnerlicht hat. (Vor allem Rice, der in seiner Entwicklung den nächsten Schritt gemacht hat und inzwischen zu den besten Box-to-Box-Spielern der Liga gehört, beeindruckt mich bislang.) Die wichtigste Frage ist jedoch: Kann West Ham diese gute Form aufrechterhalten oder ist der Einbruch unausweichlich?
Ein Blick auf die Expected-Goals-Tabelle lässt vermuten, dass die Ergebnisse der Hammers keinesfalls ein Ausreißer sind. Mit einer xG-Differenz von +4.3 ist West Ham auch in dieser Hinsicht das viertbeste Team der Liga – hinter Chelsea (+11.8), City (+23.1) und Liverpool (+24.6). Im Gegensatz zu Teams wie Crystal Palace (+2.3 xGD, aber nur Tabellenplatz 13) oder Manchester United (Rang 6 trotz einer xGD von -4.0) punktet West Ham also ungefähr auf dem Level, das man aus statistischer Sicht erwarten würde. Es sollte also niemanden überraschen, wenn David Moyes und seine Mannschaft in den nächsten Wochen genau so weitermachen wie bisher. Wird es am Ende der Saison zu einer Top-4-Platzierung reichen? Das bleibt abzuwarten. Tottenham und ManU könnten mit ihren neuen Trainern in den nächsten Wochen Fahrt aufnehmen, und auch mit Arsenal und Leicester dürfte noch zu rechnen sein. Aber selbst wenn man noch auf Rang 6 oder 7 abrutscht, sollte das die Leistungen von West Ham in der öffentlichen Wahrnehmung in keinster Weise schmälern.
Übrigens: Ein Blick auf die Expected-Goals-Differenzen lohnt sich nicht nur in der Premier League. In der Bundesliga zum Beispiel hat Borussia Mönchengladbach mit +7.1 eigentlich nach den Bayern (+27.3, Surprise!) die zweitbeste xGD – liegt aber in der tatsächlichen Tabelle nur auf Rang 13. Ergebnisse und Punkte erzählen im Fußball meistens nicht die ganze Geschichte.