MixedZone (18)

1: Nach einer einjährigen Pause wird der Ballon d’Or am morgigen Abend wieder vergeben. Für die folgende Einschätzung, wer die höchste individuelle Auszeichnung im Weltfußball am meisten verdient hat, habe ich versucht, die Ereignisse des vergangenen Jahres möglichst auszublenden – mit mäßigem Erfolg. Robert Lewandowski hätte 2020 den Ballon d’Or gewinnen müssen! Dass er nicht mit dem goldenen Ball ausgezeichnet wurde, lag vor allem daran, dass im Zuge der Pandemie keine extravagante Gala veranstaltet werden konnte. Niemand kann mir erzählen, dass für eine Vergabe des Preises im vergangenen Kalenderjahr zu wenig Fußball gespielt wurde. Naja, wie dem auch sei…

Lewandowski selbst wird sich vermutlich am meisten darüber geärgert haben, dass sein irres Jahr 2020 nicht entsprechend gewürdigt wurde. Doch eine Lösung lag auf der Hand: einfach im Jahr 2021 auf einem genauso absurden Level abliefern. Im Trikot des FC Bayern München hat der Pole in diesem Jahr unfassbare 53 Tore erzielt. Allein in der Saison 2021/22 sind es schon wieder 25 Treffer in 20 Pflichtspielen. Ob der 33-Jährige den Ballon d’Or verdient hätte, steht in meinen Augen außer Frage. Allerdings könnte ihm der mangelnde Teamerfolg zum Verhängnis werden. Mit den Bayern konnte Lewandowski nämlich „nur“ das Meisterschafts-Abo um ein weiteres Jahr verlängern, was keinen der Stimmberechtigten schockiert haben dürfte. Im DFB-Pokal und in der Champions League war für den Rekordmeister vorzeitig Schluss und mit der polnischen Nationalmannschaft war Lewandowski weit entfernt von jeglichen Titeln.

Aber wer sind die größten Konkurrenten der Münchner Tormaschine? Wahrscheinlich wird es ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Lionel Messi werden. Der Argentinier/Außerirdische hat mit dem lang ersehnten Gewinn der Copa América das ultimative Narrativ auf seiner Seite. Außerdem sollte man trotz der sommerlichen Seifenoper um seine Person und des wackligen Starts in Paris nicht vergessen, dass Messi ein dysfunktionales Barça-Team in der zweiten Hälfte der Saison 2020/21 fast im Alleingang zur spanischen Meisterschaft geführt hätte. Karim Benzema darf sich dank eines phänomenalen Jahres – Nations-League-Triumph mit Frankreich – Außenseiterchancen ausrechnen. Hätte die Équipe Tricolore die Europameisterschaft oder Real die Meisterschaft oder Champions League gewonnen, wäre Benzema vielleicht sogar der Top-Favorit auf die Auszeichnung zum Weltfußballer. (Die FIFA kann ihren „The Best“-Award bewerben, wie sie will – der Ballon d’Or wird der einzig wahre Preis für den besten Fußballer des Planeten bleiben.)

Ein Geheimfavorit auf den Titel könnte N’Golo Kanté sein, der für CL-Sieger Chelsea in beiden Halbfinal-Spielen und im Finale (!) jeweils zum Man of the Match gewählt wurde. Aber auch bei ihm gilt: Das enttäuschende Abschneiden der Franzosen bei der EM wird ihn einige Stimmen kosten. Außerdem soll Mohamed Salah, der aktuell meiner Meinung nach der beste Spieler der Welt ist, nicht unerwähnt bleiben – auch wenn er zu Beginn des Jahres lange nicht so dominant war und der FC Liverpool keinen Titel holen konnte.

Wenn es nach mir ginge, würde Robert Lewandowski den Ballon d’Or 2021 erhalten. Ich befürchte aber, dass es am Ende Lionel Messi sein wird, der zur Dankesrede das Podium betritt. Traurige Bemerkung am Rande: Am Montagabend wird wohl die erste Ballon-d’Or-Verleihung seit 2010 sein, bei der es Cristiano Ronaldo nicht in den Top-3 schafft.

2: An dieser Stelle möchte ich Artūras Karnišovas und Marc Eversley ein dickes Lob aussprechen. Die beiden sind als Executive Vice President of Basketball Operations respektive General Manager hauptverantwortlich dafür, dass die Chicago Bulls wieder ein konkurrenzfähiges NBA-Team sind. Von 2017 bis 2021 gewannen die Bulls in vier Spielzeiten genau 102 ihrer 301 Spiele – kein Team hat über diesen Zeitraum eine schlechtere Bilanz aufzuweisen. Doch die Franchise scheint in dieser Saison etwas geschafft zu haben, was in Zeiten von Tanking und Lottery-Gebeten längst nicht mehr der gängige Weg ist: Sie haben in den Win-Now-Modus geschalten, ohne vorher das komplette Gebilde einzureißen. Mit 13 Siegen aus 21 Spielen ist Chicago aktuell das viertbeste Team der Eastern Conference und begeistert endlich wieder seine Fans.

Auf dem Weg hierhin handelten sich Karnišovas, Eversley und Co. jede Menge Kritik ein. Vor allem der Trade für Nikola Vučević und die Verpflichtung von DeMar DeRozan sorgten für Skepsis bei vielen Bulls-Fans, zumal man einen Großteil der eigenen Zukunft in Form von Draftpicks und jungen Talenten aufs Spiel gesetzt hat. Stand jetzt müssen jedoch selbst Kritiker zugeben: Die Bulls machen richtig Spaß! DeRozan spielt auf All-NBA-Niveau – mit dem 32-Jährigen auf dem Feld macht Chicago auf 100 Possessions gerechnet irre 22.3 Punkte mehr als der Gegner. Zach LaVine steuert mit 25.3 Zählern pro Partie schnurstracks auf seine zweite All-Star-Nominierung zu. Die Neuzugänge Lonzo Ball und Alex Caruso nehmen an beiden Enden des Feldes entscheidende Rollen ein. Headcoach Billy Donovan scheint es geschafft zu haben, aus dem Bulls-Kader eine stimmige Einheit zu formen.

Glaube ich, dass die Bulls diese Leistungen bis zum Ende der Saison halten und einen tiefen Playoff-Run starten können? Nein. Gerade in der Postseason wird es eine Mammutaufgabe werden, mit DeRozan, LaVine und (vor allem) Vučević eine solide Defense zu stellen. Glaube ich, dass man mit diesem Kern in den nächsten Jahren zum ernsthaften Contender werden kann? Eher nein. Aber das sollte die Leistungen der letzten Wochen nicht schmälern. Die Chicago Bulls sind endlich wieder ein Team, das um die Playoffs mitspielt. Darauf haben Bulls-Fans seit Jahren gewartet.

3: In aller Kürze: Manchester United ist mit der Verpflichtung von Ralf Rangnick ein echter Coup gelungen. Ich arbeite gerade an einem Beitrag, der sich mit dem außergewöhnlichen Werdegang des 63-Jährigen beschäftigt. Bald werdet ihr also genauer nachlesen können, warum Rangnick einer der Gründerväter des modernen Fußballs ist und was ich mir von ihm bei den Red Devils erwarte. Ob Rangnick bei United bis zum Ende der Saison für eine Kehrtwende sorgen kann, bleibt abzuwarten. Dass er aber als Cheftrainer ein Fundament errichten kann, auf dem er dann in seiner Rolle als Berater aufbauen wird, steht für mich außer Frage.

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