1: Das Tor des Luxemburgers Sebastian Thill am Dienstagabend war einer dieser Momente, in denen der Fußball das Unmögliche möglich macht. Genau diese Momente sind es, auf die der Slogan „The Beautiful Game“ gemünzt ist – wenn die David-gegen-Goliath-Konstellation ungeahnte Ausmaße annimmt. Die metaphorische Steinschleuder, mit der Champions-League-Neuling Sheriff Tiraspol den galaktischen Giganten Real Madrid zu Fall brachte, war ein fulminanter Linksschuss in der 88. Minute. Jenes Traumtor ließ Herzen auf der ganzen Welt höherschlagen und Sheriff in ekstatischen Jubel ausbrechen.
Sheriff Tiraspol – der Underdog aus dem Land, das gar kein Land ist. Denn der Club kommt aus Transnistrien, einer Region, die offiziell zur Republik Moldau gehört, sich von dieser aber losgesagt hat. Hinter dem Verein Sheriff steht die gleichnamige Wirtschaftsholding, deren zwielichtige Geschäfte und schamloser Lobbyismus das Fußballmärchen ein wenig trüben. Wenigstens konnten so nach Reals Blamage diverse gute Wortwitze in den sozialen Medien kursieren. Wie dem auch sei… Wir durften diese Woche eine der größten Sensationen der Champions-League-Geschichte erleben. Um die Absurdität dieses 2:1-Siegs zu unterstreichen: Der gesamte Kader von Sheriff Tiraspol ist 12.38 Millionen Euro wert. Das entspricht in etwa dem halben Jahresgehalt von David Alaba.
2: Déjà-vu-Alarm in der Welt des Boxens. Schwergewichts-Weltmeister Anthony Joshua geht als klarer Favorit in einen Kampf, musste jedoch nach einem enttäuschenden Auftritt seine vier Gürtel abgeben. 2019 hieß der Gegner Andy Ruiz Jr., dieses Mal Oleksandr Usyk. Nun thront also der Ukrainer auf dem Schwergewichts-Thron – und Joshua ist erneut auf einen Rückkampf angewiesen, um sich seine Titel zurückzuholen. Das dürfte allerdings diesmal deutlich schwerer werden. Joshua wird es in seinem zweiten Kampf mit Usyk nämlich nicht mit einem übergewichtigen Mexikaner zu tun bekommen, sondern mit einem Elite-Kämpfer, der dem Briten vor einer Woche in London keine Chance ließ. Abgesehen davon, dass das lang ersehnte Aufeinandertreffen von Joshua und Tyson Fury plötzlich wieder in weite Ferne gerückt ist, muss man sich fragen: Ist die Zeit von AJ an der Spitze vorbei? Nach der schockierenden Niederlage gegen Ruiz zweifelten nur wenige daran, dass sich seine WM-Titel umgehend zurückholen würde. Diesmal bin ich mir nicht so sicher.
3: Der FC Liverpool gegen Manchester City, Jürgen Klopp gegen Pep Guardiola. Das Duell der englischen Schwergewichte polarisiert seit Jahren die Massen – und hat auch dieses Mal nicht enttäuscht. Die Reds und Citizens trennten sich am frühen Sonntagabend mit einem überwiegend leistungsgerechten 2:2-Remis, mit dem dennoch Kloppo einen Tick zufriedener sein dürfte als Pep. Denn City war in der ersten Halbzeit die klar bessere Mannschaft, schaffte es aber nicht, Kapital aus ihrer Überlegenheit zu schlagen. Wie schon am Dienstag beim 0:2 in Paris belohnte sich Guardiolas Mannschaft nicht für eine sehr gute Leistung. Die Ineffizienz der Skyblues öffnete die Tür für die Reds.
Nach dem Seitenwechsel war es ein anderes Spiel. Liverpool war plötzlich gewohnt präsent und aggressiv, nachdem man in den ersten 45 Minuten noch vergeblich nach Zugriff strebte. Dementsprechend war die Führung durch Sadio Mané in der 59. Minute keine Überraschung, sondern die logische Konsequenz der Liverpooler Anstrengungen. City ließ in der Folge die Souveränität vermissen, die sie noch in der ersten Halbzeit ausgezeichnet hatte. Doch die Citizens waren weiterhin aktiv und stets gefährlich. Es entwickelte sich ein offener Schlagabtausch zweier Mannschaften, die an guten Tagen wie diesen jeden Zuschauer verzaubern. Der überragende Phil Foden glich in der 69. Minute aus, ehe Mohamed Salah sieben Minuten später nach einem Weltklasse-Solo das 2:1 erzielte. In der 81. Minute war es dann Kevin de Bruyne, der den Gästen mit einem glücklich abgefälschten Distanzschuss wenigstens noch einen Punkt rettete.
Welche Schlüsse lassen sich nun aus diesem Spiel ziehen? Was bedeutet das Unentschieden für das Titelrennen in der Premier League? Beide Mannschaften präsentierten sich in einer starken Form und unterstrichen ihre Meisterschaftsambitionen. Doch auf beiden Seiten ist noch Luft nach oben: City hätte mit mehr Effizienz schon zur Halbzeit deutlich führen können, Liverpool war defensiv anfällig, vor allem über die eigene rechte Seite. Gerade weil beide Teams keine optimale Leistung abrufen konnten, war es ein höchst unterhaltsames Fußballspiel – zumindest in der zweiten Halbzeit.