Als Manuel Neuer die Unterschrift unter sein neues Arbeitspapier beim FC Bayern München setzte, werden sich die meisten Fans des Rekordmeisters gefreut haben. Einige waren bestimmt auch etwas erleichtert. Denn in den letzten Wochen gab es immer wieder Gerüchte und Berichte von Spannungen zwischen dem Nationaltorhüter und der Münchner Führungsetage. Mit einem Abgang Neuers hatte dennoch kaum jemand ernsthaft gerechnet. Außer vielleicht Alexander Nübel? Dessen Entscheidung, bei den Bayern anzuheuern gibt – zumindest mir – noch immer Rätsel auf.
Nübel wird zur neuen Saison ablösefrei vom FC Schalke 04 an die Säbener Straße kommen. 23 Jahre alt, einer der vielversprechendsten jungen Torhüter in Deutschland. Bei Schalke Stammkeeper und Kapitän. Und jetzt setzt er sich freiwillig hinter Manuel Neuer auf die Reservebank der Allianz Arena. Sicherlich gibt es Anreize für diesen Schritt. Die Chance, zum größten deutschen Club zu wechseln, bietet sich vielen jungen Spielern eben nur einmal im Leben. Wahrscheinlich verdient Nübel in München mehr, das mag sein. Und er wird täglich mit einem der besten Torhüter der Welt trainieren und von diesem lernen können.
Aber genau da liegt meiner Meinung nach das Problem: Neuer gehört auch mit seinen 34 Jahren noch immer zu den besten Keepern der Welt. Wenn ihn keine schweren Verletzungen ausbremsen, wird er noch mehrere Jahre auf höchstem Niveau spielen können. Er ist Kapitän und absoluter Führungsspieler beim Rekordmeister. Falls sich Nübel also einen ausgeglichenen Konkurrenzkampf um den Platz der Nummer eins ausmalt, wird er da wohl enttäuscht werden. Manuel Neuer ist und bleibt in München gesetzt.
Aus Bayern-Sicht ist der Transfer trotzdem ein No-Brainer. Sie schnappen sich einen Neuer-Nachfolger zum Nulltarif. Aber warum sich ein aufstrebender Torwart (vielleicht auf dem Weg in Weltklasse-Kreise) für eine Backup-Rolle entscheidet, ist ungemein schwerer nachzuvollziehen. Nübels Berater hat kürzlich auch ausgeschlossen, dass der 23-Jährige zunächst verliehen wird, um Spielpraxis zu sammeln – obwohl das vermutlich die beste Lösung für alle Beteiligten wäre.
Alexander Nübels Schritt auf die Bayern-Bank könnte ich bei einem 20-jährigen Talent nachvollziehen. Oder auch bei einem gestandenen Keeper im Herbst seiner Karriere, der einfach noch ein bisschen Edelmetall gewinnen will. Bei einem 23-Jährigen aber, der gut und gerne auch Stammtorwart bei einem Europa-League- oder Champions-League-Club sein könnte, verstehe ich es nicht. Sicher hat Nübel das Potenzial, Bayerns neuer Neuer zu werden – allerdings frühestens in ein paar Jahren. Bis dahin wird er sich mit der Rolle des Bankwärmers begnügen müssen. Aber wie immer heißt es abwarten. Vielleicht belehrt er mich ja noch eines Besseren.