
Real Madrid ist bereit für den nächsten ganz großen Coup. Die Galácticos haben zu Beginn des Jahrtausends unser aller Horizont erweitert, was die maximale Anzahl an Superstars innerhalb einer Mannschaft betrifft. Ihre Nachfolger in Weiß, das Super-Team rund um Cristiano Ronaldo, gewann zwischen 2014 und 2018 vier von fünf Champions-League-Titeln. Obwohl diese glanzvollen Tage inzwischen ein paar Jährchen her sind, scheint die Institution Real Madrid nicht viel von ihrer exorbitanten Strahlkraft eingebüßt zu haben.
Spätestens seit der schockierenden Implosion von Paris Saint-Germain im Achtelfinale der Königsklasse ist der Wechsel von Kylian Mbappé in die spanische Hauptstadt so gut wie besiegelt. Dass sich der französische Superstar im kommenden Sommer den Königlichen anschließen würde, ist seit Monaten ein offenes Geheimnis. Die Meldung, dass nun aber auch eine zeitgleiche Verpflichtung von Erling Haaland im Bereich des Möglichen sei, kam dann doch überraschend. Mbappé UND Haaland im selben Transferfenster? Könnte Real diese beiden Blockbuster tatsächlich über die Bühne bringen? Und kann es fußballerisch überhaupt funktionieren?
Das Wichtigste vorweg – Money, Money, Money. Auch wenn Mbappé ablösefrei zu haben ist und Haaland mit seiner Ausstiegsklausel von 75 Millionen Euro in Relation zu seinem Marktwert ein echtes Schnäppchen wäre, sind die finanziellen Dimensionen eines solchen Doppel-Coups nicht zu unterschätzen. Man mag sich gar nicht ausmalen, welche wahnwitzigen Summen auf den Gehaltsschecks der beiden Superstars zu finden sein werden. Dazu kommen vermutlich Handgeld und diverse andere Boni – ganz zu schweigen davon, dass die Agenten selbstverständlich auch fürstlich entlohnt werden wollen. Selbst bei groben Schätzungen wird einem Normalsterblichen zwangsläufig schwindlig.
Dennoch habe ich keinen Zweifel daran, dass Real sich die beiden Stars leisten könnte. Für königliche Verhältnisse war man in den letzten Jahren ziemlich sparsam unterwegs. Außerdem laufen die Verträge einiger entbehrlicher Großverdiener nach der laufenden Saison – allen voran Gareth Bale, Marcelo und Isco. Auch Luka Modrić steht nur noch bis Juni unter Vertrag, sein Verbleib in Madrid ist ebenfalls fraglich. Real-Präsident Florentino Pérez hätte Haaland gerne erst 2023 verpflichtet, da dieser sich aber nun für einen Abschied aus Dortmund entschieden hat, müssen die Blancos schon jetzt in das Wettbieten um seine Dienste einsteigen. Dass die finanziellen Mittel dafür zur Verfügung stehen, ist anzunehmen.
Dass Haaland und Mbappé auf dem Rasen koexistieren können, steht in meinen Augen außer Frage. Beide sind pfeilschnell, abschlussstark, technisch exzellent, geradlinig auf dem Weg zum Tor. Ich denke, sie könnten sich ausgezeichnet ergänzen und ein schier unaufhaltsames Duo bilden. Lässt man dann noch Vinícius Júnior neben den beiden wirbeln, hat man in der Offensive das vielleicht gefährlichste Dreigestirn im Weltfußball. Und das Beste: Vinícius und Haaland sind 21 Jahre alt, Mbappé ist 23. Sie werden die internationale Bühne wahrscheinlich bis ins nächste Jahrzehnt hinein dominieren.
Die These, dass sich Vinícius und Mbappé um den Startplatz auf der linken Außenbahn streiten müssten, ist für mich völliger Blödsinn. Erstens würde dieses Trio mit all seiner spielerischen Klasse ohnehin ständig rotieren, sodass es zweitrangig ist, wer denn nun nominell links spielt. Zweitens hat Mbappé in seiner Anfangszeit bei PSG gezeigt, dass er auch als rechter Flügelspieler neben einem klassischen Mittelstürmer (Cavani) zur Weltklasse gehört. Ja, die beiden Youngster sind sich in ihrer Spielanlage sehr ähnlich, ich glaube aber nicht, dass sie nicht mit- und nebeneinander effektiv sein können.
(Taktik-Liebhaber werden außerdem anmerken, dass sich Haaland oft und gerne in den linken Halbräumen aufhält – sprich im Revier von Vinícius oder Mbappé, je nachdem, wer gerade über links kommt. Das stimmt zwar, dennoch würde ich mir auch in dieser Hinsicht keine allzu großen Sorgen machen. Im Zweifel bin ich immer ein Freund davon, möglichst viel Qualität auf den Rasen zu bringen und die genaue Rollenverteilung im zweiten Schritt zu klären.)
Ein anderes „Problem“ lässt sich allerdings nicht so leicht von der Hand weisen: Karim Benzema ist in der Form seines Lebens und macht keine Anstalten, den Rängen der Weltklasse in naher Zukunft den Rücken zu kehren. Benzema und Haaland in einer Mannschaft zu haben, ergibt auf dem Papier eher wenig Sinn. Doch auch hier bin ich der Meinung: Warum sollte man diese beiden Weltklasse-Fußballer nicht gewinnbringend zusammen einsetzen können? Der Franzose übernimmt ohnehin oftmals de facto die Rolle eines Zehners, warum sollte er also nicht hinter Haaland und neben Vinícius und Mbappé in einer Art 4-2-3-1 spielen können? Die Doppelsechs zur Absicherung könnten zum Beispiel Casemiro und Toni Kroos bilden, Federico Valverde und Eduardo Camavinga wären weitere Optionen mit mehr Box-to-Box-Dynamik. Von den vier Offensivkünstlern ist nur Mbappé wirklich schlecht gegen den Ball, und selbst bei ihm besteht die Hoffnung, dass ihm seine Lustlosigkeit von einer Autoritätsfigur à la Carlo Ancelotti ausgetrieben werden kann.
Selbst wenn man Benzema und Haaland nicht gemeinsam in der Startelf sieht, sollte das kein Ausschlusskriterium für einen möglichen Transfer sein. So überragend der 34-Jährige gerade auch spielt, seine Tage als absoluter Weltklasse-Spieler werden sich eher früher als später dem Ende zuneigen. Sollte Real Madrid wirklich die Chance ausschlagen, die beiden Offensivspieler, die in den nächsten zehn Jahren durchgehend zu den fünf besten Fußballern des Planeten gehören könnten, in einem Team zu vereinen? Natürlich würden Benzema und Haaland in jeder Partie von Beginn an auf dem Platz stehen wollen, aber ersterer wird nicht jünger und zweiterer war in den letzten beiden Jahren nicht gerade die personifizierte Gesundheit. Man könnte beide hin und wieder schonen, wäre bei Verletzungen abgesichert und könnte Haaland zunächst als Benzema-Nachfolger einlernen, bevor er sofort Mittelstürmer Nummer 1 wird.
Fazit: Wenn es die finanzielle Lage des Clubs hergibt, ist eine Doppel-Verpflichtung von Kylian Mbappé und Erling Haaland ein absoluter No-Brainer für Real Madrid. Der Franzose ist meiner Meinung nach schon jetzt einer der drei besten Spieler der Welt, die norwegische Naturgewalt gehört ebenfalls in die Top-10 dieser Liste. Und – man kann es nicht oft genug betonen – sie sind noch immer blutjung! Auch wenn die Verantwortlichen spielerische und/oder zwischenmenschliche Sorgen haben, darf man sich diese einmalige Gelegenheit nicht entgehen lassen. Denn genau das ist schließlich das Selbstverständnis der Königlichen: der Anspruch, möglichst viele der weltbesten Spieler in den eigenen Reihen zu haben. So war es zu den Zeiten der originalen Galácticos, so war es während der CR7-Jahre – und so ist es noch heute. Mbappé (23), Haaland (21), Vinícius (21), Camavinga (19), Valverde (23), Rodrygo (21) und Éder Militão (24) haben ihre Blütezeit wahrscheinlich noch vor sich. Unter den Fittichen von Veteranen wie Casemiro, David Alaba und Thibaut Courtois könnten sie zu einer Mannschaft reifen, die die europäische Bühne über Jahre dominieren kann.
Eine solche Wiedergeburt der Galácticos wäre der ultimative Beweis, dass Real Madrid selbst in einer Zeit, in der ManCity, PSG und Co. die monetären Muskeln spielen lassen, noch immer der größte Club der Welt ist. Vor allem aber wäre es ein fußballerisches Projekt galaktischen (pun intended) Ausmaßes, das uns Fußball-Liebhabern viel Freude bereiten könnte.