Extrablatt, Extrablatt! Die MixedZone wird für die kommenden Wochen zur EuroZone umfunktioniert. Vor jeder K.o.-Runde des Turniers äußere ich an dieser Stelle drei Gedanken zum EM-Geschehen. Beginnen wir mit dem Achtelfinale:
1: Natürlich geht es zunächst um Jogis Jungs. Welchen Reim soll man sich auf die Leistungen in der Gruppenphase machen? Eine hochverdiente Auftaktpleite gegen Frankreich, ein berauschender Sieg gegen Portugal und ein peinliches Unentschieden gegen Ungarn. Mit dem zweiten Platz in der viel zitierten Todesgruppe kann man wohl zufrieden sein, nun wartet England im Achtelfinale. Meine Überzeugung, dass sich die DFB-Elf im altehrwürdigen Wembley-Stadion für die nächste Runde qualifizieren kann, hält sich in Grenzen. Die Nationalmannschaft wirkt einmal mehr wacklig, unsicher, ohne klare Linie. Die Welle der Euphorie nach dem 4:2-Fußballfest gegen den Titelverteidiger zerschellte vier Tage später an einem ungarischen Felsen. Die Deutschen taten sich – wie schon gegen Frankreich – extrem schwer, in aussichtsreiche Abschlusssituationen zu kommen. Erst mit Löws Harakiri-Taktik in der Schlussphase kam frischer Wind in die Mannschaft. Dass am Ende beim 2:2 die Nachspielzeit zu einer Zitterpartie an der gegnerischen Eckfahne mutierte, grenzte in meinen Augen an Peinlichkeit. Zur Erinnerung: Der Gegner hieß Ungarn.
Wie könnte also ein deutsches Gruppenphasen-Fazit aussehen? Gegen Frankreich und Ungarn setzte man den Irrweg der vergangenen Jahre fort. Das 4:2 gegen Portugal war ein 90-minütiger Lichtblick, der jedoch durch eine desolate Defensive der Seleção begünstigt wurde. Wer gehofft hatte, dass Jogis letztes Turnier zu einer zauberhaften Abschiedstournee wird, der wurde bislang enttäuscht. Vielleicht kommt jetzt das Traditionsduell in London genau richtig. Vielleicht beginnt mit einem Sieg gegen den Rivalen eben jene Tournee. Das Team von Gareth Southgate dürfte allerdings mit mehr Rückenwind in dieses Achtelfinale gehen – nicht nur wegen der Austragungsstätte. Die Engländer mühten sich zwar gegen Kroatien und Schottland zu vier Punkten und brannten auch gegen Tschechien kein Feuerwerk ab. Am Ende stand dennoch ein souveräner Gruppensieg (ohne Gegentor!) zu Buche. Vor allem aber zeigten die Briten im letzten Gruppenspiel, dass sie sich am wohlsten fühlen, wenn der Gegner mitspielt. Tschechien presste hoch und versuchte, aktiv am Spiel teilzuhaben. Den Engländern boten sich dadurch viel mehr Räume als noch in den ersten beiden Partien. In Ansätzen zeigte Southgates Mannschaft, wie gefährlich sie sein kann – und dass sie sich gut auf die Spielweise eines engagierten Gegners einstellen kann. Wenn sich die deutsche Defensive nicht über Nacht deutlich stabilisiert hat, könnte es gegen die Three Lions extrem schwer werden. Deutschland ist auf keinen Fall chancenlos, aber es muss eine deutliche Leistungssteigerung her, um die Heimreise noch zu vertagen.
2: Die gute Nachricht für das deutsche Team: Sollte man England schlagen, wartet im Viertelfinale definitiv ein machbarer Gegner. Während sich auf der anderen Hälfte des Turnierbaums mit Frankreich, Belgien, Italien, Portugal und Spanien gleich fünf Favoriten tummeln, würde die DFB-Elf in der nächsten Runde auf Schweden oder die Ukraine treffen. Der härteste mögliche Halbfinalgegner wären dann wohl die Niederländer, es könnte aber zum Duell mit Tschechien, Dänemark oder Wales kommen. Die Diskrepanz zwischen den beiden Seiten der Auslosung wird am Beispiel der Belgier besonders deutlich: Die Roten Teufel müssen auf ihrem Weg ins Endspiel zuerst Portugal ausschalten – nur um dann eventuell noch gegen Italien und Frankreich spielen zu müssen. England, Holland oder eben Deutschland hätten einen deutlich dankbareren Pfad.
3: Über weite Strecken war die Gruppenphase dieser Europameisterschaft eine Erinnerung daran, dass zu Beginn von großen Turnieren in der Regel nicht der schönste Fußball gespielt wird. Viele Spiele waren von tiefstehenden Defensivreihen und Kampf betont, einige waren einfach nur langweilig. Den meisten der Partien war anzumerken, dass die jeweiligen Trainer mehr als ein Jahr Zeit hatten, sich auf die drei Gruppengegner einzustellen. Dementsprechend wurde viel taktiert und egalisiert – dafür aber wenig begeistert. Wie immer gab es Überraschungen und Enttäuschungen, aber im Großen und Ganzen bewegte sich das Geschehen in einem Bereich des Erwartbaren. Das könnte sich in der K.o.-Runde (hoffentlich) ändern. Es beginnt ein neuer Modus, bei dem auch wirklich die Hälfte der Teams ausscheiden werden. Headliner sind natürlich die Duelle zwischen Belgien und Portugal sowie Deutschland und England. Aber auch die restlichen sechs Begegnungen haben jeweils ihren eigenen Reiz und könnten sehenswert sein. Welche Underdogs können überraschen? Welche Favoriten stolpern? Die K.o.-Phase eines großen Turniers ist ein absolutes Highlight im Kalender eines jeden Fußballfans. Man darf gespannt sein, welche acht Mannschaften am Mittwoch noch vom EM-Titel träumen dürfen.