Der Fußball ist tot. Die Super League hat ihn getötet. Was in den 90er-Jahren als Hirngespinst von Silvio Berlusconi begann, könnte schon bald bittere Realität sein. Zwölf Clubs treten mit ihrem Vorhaben die grundlegendsten Prinzipien des Fußballs – und des Sports – mit Füßen. Die Reichen werden noch reicher, alle anderen bleiben auf der Strecke – der feuchte Traum der Herren Agnelli, Pérez und Co. Das Versprechen, man wolle „das Beste für die neue Liga und den Fußball als Ganzes“ erreichen, ist an Heuchlerei nicht zu übertreffen. Der europäische Vereinsfußball hat sich nach Jahren der Gier in eine Sackgasse manövriert, aus der es keinen Ausweg mehr zu geben scheint.
Gestatten, die sagenumwobene Super League. Zu 15 Gründungsmitgliedern, die ihren Startplatz sicher haben, gesellen sich jährlich wechselnd fünf weitere Clubs. In zwei Gruppen à zehn Teams werden in Hin- und Rückspielen die Viertelfinalisten ermittelt, daraufhin folgt eine K.o.-Runde, wie man sie aus der Champions League kennt. Liverpool, Chelsea, Arsenal, Tottenham, die beiden Manchesters, Real, Barcelona, Atletico, Juventus und die beiden Mailänder Clubs sind bereits an Bord. Bayern, Dortmund und PSG sollten wohl folgen, wollen aber anscheinend (noch) nicht mitspielen. Die oberste Oberschicht des europäischen Fußballs hat nun offiziell bestätigt, dass sie ihren eigenen, weniger steinigen und äußerst lukrativen Weg gehen will. Der eingefleischte Fan, der mit seinem Herzensclub seit Jahrzehnten durch dick und dünn geht, wird durch den digitalisierten Streaming-Zuschauer aus China oder Indien ersetzt. Ein stumpfer Wettbewerb soll her. Ein Turnier, in dem jedes Jahr aufs Neue dieselben Teams gegeneinander spielen und sich die entsprechenden Bosse genüsslich ihre Kontoauszüge aus den Cayman Islands an den Kühlschrank hängen. Real gegen Liverpool, City gegen Barça, Juventus gegen Chelsea – jährlich grüßt das Murmeltier.
Der Aufschrei in den sozialen Medien ist laut, zahlreiche Legenden des Sports bringen ihre Bestürzung zum Ausdruck, UEFA und FIFA kündigen tiefgreifende Sanktionen an. Aber inwiefern sind den Verbänden die Hände gebunden? Sind die großen Clubs schon jetzt zu mächtig? Die nationalen Ligen können nicht einfach so ihre Top-Teams verbannen – zu viel Geld steht auf dem Spiel. Für La Liga ohne Real und Barça stehen die Sponsoren nicht Schlange. Für die Premier League ohne City und Liverpool wird kein monströser neuer TV-Deal unterschrieben. Gleiches gilt für Europa- und Weltmeisterschaften – wie viele Menschen würden sich ein WM-Spiel zwischen Deutschland und Italien anschauen, wenn die Spieler der 20 besten Vereinsmannschaften nicht auf dem Feld stehen dürfen?
Seit Jahrzehnten baut der Adel des europäischen Fußballs seine Monopolstellung aus, mit freundlicher Unterstützung von UEFA und FIFA. Die Super League ist für diese Clubs aus wirtschaftlicher Sicht der logische nächste Schritt. Dass es in diesen Gefilden hauptsächlich ums Geld geht, ist längst kein Geheimnis mehr. Irrwitzige Fernsehgelder, dreistellige Ablösesummen, die Weltmeisterschaft in Katar – eine absurde Entwicklung folgt auf die nächste. Aber wenigstens blieb bislang immer der Kern des Ganzen bestehen: der sportliche Wettbewerb. Der Fußball lebt seit jeher von Emotionen, von Überraschungen, von David-gegen-Goliath-Narrativen. Davon, dass die Teilnahme am Europapokal kein gottgegebenes Recht, sondern ein sportlich verdientes Privileg ist. Von Ajax Amsterdam und Olympique Lyon im Champions-League-Halbfinale. Von Leicester City 2016 und Griechenland 2004. Von „You‘ll Never Walk Alone“ und „Stern des Südens“.
Ob es tatsächlich zeitnah zu einer Super League kommen wird, ist zweitrangig. Die Superreichen haben ihren Standpunkt maximal deutlich gemacht. Sie sind bereit, für den eigenen Profit über Leichen zu gehen. Und das inmitten einer globalen Pandemie, in der Solidarität wichtiger ist denn je. Der moderne Fußball war ohnehin ein Teufelskreis, doch von diesem Beben gibt es endgültig kein Zurück mehr. Der Fußball ist tot. Die Super League hat ihn getötet.