Die Draft-Nacht sorgte in dieser Woche für einige Überraschungen und viel Gesprächsstoff. Dass allerdings ein anderes Ereignis noch größere Wellen in der NBA-Welt schlug, spricht Bände über die Brisanz dieser Angelegenheit. Russell Westbrook schließt sich den Los Angeles Lakers an! Einer der polarisierendsten Spieler der letzten zehn Jahre wechselt zur polarisierendsten Franchise. Eine neue Big Three in Hollywood, Russ kehrt nach Hause zurück, LeBron James auf dem Weg zu seinem fünften Meistertitel – was man in den letzten Tagen nicht alles hören und lesen konnte. Die Lakers bekommen mit Westbrook ihren lang ersehnten dritten Star und mussten dafür mit Kentavious Caldwell-Pope, Kyle Kuzma und Montrezl Harrell nur drei Spieler abgeben, die in der vergangenen Saison eher enttäuschten. Auch wenn die Wichtigkeit von KCP und Kuzma nicht unterschätzt werden sollte, kann man sich aus Lakers-Sicht über das Paket nicht beschweren. Würde es sich um so ziemlich jeden anderen Spieler von Westbrooks Kaliber handeln, würde ich sagen: „Mensch! Schau mal einer an, die Lakers. Da haben sie es doch tatsächlich wieder geschafft.“ Aber es geht nun mal nicht um einen anderen Spieler, sondern um Russell Westbrook.
Ich möchte nicht zu pessimistisch sein, also fangen wir mit dem Positiven an. Eine große Schwäche der Lakers war in den letzten beiden Jahren die Offense ohne LeBron James auf dem Feld. Dieses Playmaking-Loch wollte man stopfen, zuerst mit Rajon Rondo, dann mit Dennis Schröder. Beiden ist dies nur bedingt gelungen – mit Ausnahme des Playoff-Rondo-Feuerwerks in der Bubble. Westbrook ist ein enormes Upgrade gegenüber Rondo und Schröder. Wenn eine Offense auf seine Stärken zugeschnitten wird, ist Brodie selbst im fortgeschrittenen Alter noch immer einer der besten Guards dieser Liga. Mit seiner irren Athletik, seinen Drives und seinem Passing wird er den Lakers in der Regular Season viel Freude bereiten, daran zweifle ich nicht. In Houston und zuletzt in Washington hat Russ bewiesen, dass er (mit den richtigen Rahmenbedingungen) phasenweise auf All-NBA-Niveau spielen kann. Die Schlüsselwörter der letzten beiden Sätze waren aber „Regular Season“ und „phasenweise“.
Denn in der Postseason kann ich mir beim besten Willen nicht ausmalen, wie die sogenannte Big Three aus LeBron, Anthony Davis und Westbrook funktionieren soll. Selbst wenn AD all seine Minuten als Center verbringt, was er bekanntlich nicht gerne tut, wird das Spacing ein gewaltiges Problem sein. In den sechs Spielen beim Erstrundenaus gegen die Phoenix Suns verwandelten die Lakers 9.8 Dreier pro Partie – bei einer Quote von 29.9%. Könnt ihr erraten, welches Playoff-Team als einziges in diesen Werten noch schlechter war? Richtig, Westbrook und seine Wizards mit 7.0 Dreiern und 28.9%. Westbrooks Triple Doubles sind Jahr für Jahr beeindruckend, aber es gehört eben auch zur Wahrheit, dass er wahrscheinlich der schlechteste High-Volume-Dreierschütze aller Zeiten ist. Über seine Karriere hinweg traf Russ 30.5% seiner Dreier – unter allen Spielern mit mindestens 2.000 Versuchen hat nur Charles Barkley (26.6%) eine schlechtere Quote vorzuweisen. Dass Shooting die wichtigste Fähigkeit ist, die man als Mitspieler von LeBron mitbringen sollte, ist eigentlich kein Geheimnis. Mit Westbrook holen sich die Lakers nun aber einen neuen Star ins Boot, der nicht weiter entfernt von dieser Idealvorstellung liegen könnte. Ich weiß nicht, wie oft ich mitansehen kann, wie Russ einen tiefen Pull-Up-Dreier mit 18 Sekunden auf der Shotclock nimmt, während ihm LeBron James und Anthony Davis dabei zuschauen.
Noch dazu ist Westbrook inzwischen alles andere als ein Lock-Down-Defender – gerade im Vergleich zu KCP, den man in dem Deal abgegeben hat. In dieser Hinsicht mache ich mir aber tatsächlich keine allzu großen Sorgen. Russ hat die körperlichen Voraussetzungen, um ein guter Verteidiger zu sein und hat das im Lauf seiner Karriere auch schon häufig aufs Parkett gebracht. Man kann davon ausgehen, dass er sich an der Seite von LeBron mehr ins Zeug legen wird als zuletzt in Houston und Washington. Außerdem stellten die Lakers auch mit Guards wie Rondo in den letzten Jahren immer eine mindestens solide Defense – man wird auch bei Westbrook Mittel und Wege finden, seine Schwächen bestmöglich zu kaschieren.
Vielleicht funktioniert es ja. Vielleicht haben die Lakers nun tatsächlich eine Big Three, die sie zur Meisterschaft tragen kann. Westbrook ist ein intelligenter Spieler, kehrt in seine kalifornische Heimat zurück und schließt sich seinen Freunden LeBron und AD an. Brodie ist ein neunmaliger All-Star und landete neunmal in einem All-NBA-Team. Er ist Mister Triple Double, wurde 2016/17 MVP und war zuletzt der beste Vorlagengeber der Liga. Bei all den berechtigten Fragezeichen hinter dem Fit darf man nicht außer Acht lassen, dass Westbrook noch immer ein Superstar sein kann. Lakers-GM Rob Pelinka und Headcoach Frank Vogel haben letztes Jahr bewiesen, dass sie ein Championship-Team formen können. (Wie genau sie das mit den drei Großverdienern anstellen wollen, ist mir allerdings schleierhaft.) Und auch LeBron James kennt sich ganz gut mit Basketball aus. Wenn diese drei Herren davon überzeugt sind, dass Westbrook in L.A. funktionieren kann, dann sollte man es zumindest nicht ausschließen. Aber mir persönlich fehlt aktuell die Fantasie. Ich glaube nicht, dass dieser Trade die Lakers einem erneuten Meistertitel nähergebracht hat.
Zum Abschluss blicken wir noch in aller Kürze nach Washington. Westbrooks Monster-Vertrag (mehr als 92 Millionen Dollar über die nächsten zwei Jahre) loszuwerden ist an sich bereits ein Erfolg. Außerdem bekamen die Wizards mit KCP und Harrell zwei auslaufende Verträge, mit Kuzma einen variablen Flügelspieler und einen Erstrundenpick. Man hat zwar auf dem Papier einen Schritt zurück gemacht, hat sich dadurch aber die nötige Flexibilität verschafft, um in naher Zukunft eine schlagkräftige Truppe um Bradley Beal herum aufzubauen. Eine finale Beurteilung des Trades verbietet sich im Moment noch – ebenso wie bei den Lakers – aber Washington hat meiner Meinung nach einen Schritt in die richtige Richtung getan.