Awards-Kandidaten 2021/22

Die NBA-Saison 2021/22 ist seit der vergangenen Nacht in vollem Gange. Neben den Spekulationen über den nächsten Meister, Prognosen zu den Playoff-Chancen der Teams und diversen Tradegerüchten ist eine Frage zu Beginn einer neuen Saison immer besonders spannend: Wer wird am Ende der Regular Season die individuellen Trophäen abräumen? Das sind meine Top-3-Kandidaten für jeden der NBA-Awards:

Most Valuable Player: Giannis Antetokounmpo, Luka Dončić, Joel Embiid

Das (schon immer sinnlose) Narrativ, dass Giannis Antetokounmpo aufgrund seines Scheiterns in den Playoffs den MVP-Titel nicht verdient, ist spätestens seit seinen historischen Leistungen in den Finals und der Meisterschaft mit den Milwaukee Bucks Geschichte. Giannis‘ Zahlen 2020/21 waren nur leicht schlechter als jene seiner beiden MVP-Saisons zuvor. Ich sehe keinen Grund anzunehmen, dass der Grieche in dieser Spielzeit nicht erneut auf einen fabelhaften Boxscore nach dem anderen blicken kann. Das Verrückte: Er könnte sogar noch besser werden. Man sollte generell Preseason-Trends nicht allzu viel Beachtung schenken, aber Giannis‘ Wurf sieht wesentlich flüssiger aus. Wenn das 2,11 Meter große und 110 Kilogramm schwere Ein-Mann-Abrissunternehmen auch noch einen passablen Jumper im Repertoire hat, habe ich Mitleid mit dem Rest der NBA. Selbst wenn Giannis‘ nicht auf einmal zu einem guten Werfer wird, ist er mein Favorit auf den MVP-Award. Ich glaube, der 26-Jährige will allen (inklusive sich selbst) beweisen, dass die Bucks-Meisterschaft und sein Aufstieg zum unangefochtenen Superstar kein One-Hit-Wonder waren. Macht euch gefasst auf eine Monster-Saison von Giannis, in der der Greek Freak seinem Spitznamen einmal mehr alle Ehre macht.

Auch bei Luka Dončić bin ich mir sicher, dass wir noch nicht seine beste Version gesehen haben – was verrückt ist! Der Slowene legte letzte Saison 27.7 Punkte, 8.6 Assists und 8.0 Rebounds pro Spiel auf – daraus könnte 2021/22 gut und gerne ein Triple-Double werden. Luka ist die Lebensversicherung der Dallas Mavericks und schon jetzt, im Alter von zarten 22 Jahren, einer der besten Basketballer der Welt. Seine Leistungen und sein statistischer Output werden auch in dieser Saison wieder irre sein, aber reicht das für die MVP-Trophäe? Das wird vor allem davon abhängen, wie weit er seine Mavericks in der Western Conference tragen kann. Ich bin kein großer Freund von den Offseason-Moves der Mavs und ich glaube erst wieder an Kristaps Porzingis, wenn er bewiesen hat, dass er fit bleiben kann. Wenn Dallas nicht in den Top-4 im Westen landet, werden Lukas Chancen bei der MVP-Wahl vermutlich eingeschränkt sein. Explodieren die Mavs aber in den kommenden Monaten und sind an der Spitze der Conference zu finden, könnte sich Dončić den Award allemal sichern.

Mein dritter Kandidat ist Joel Embiid. Der Kameruner spielte 2020/21 die beste Saison seines Lebens, war an beiden Seiten des Feldes die personifizierte Dominanz und wäre ohne seine Verletzungssorgen vielleicht schon jetzt ein MVP. Das große Fragezeichen steht alle Jahre wieder hinter Embiids Gesundheit. Der Center der Philadelphia 76ers absolvierte noch nie mehr als 64 Spiele in einer Regular Season. Seit er 2014 gedraftet wurde, hat er insgesamt erst 260 NBA-Spiele auf dem Buckel. Sollte Embiid aber in dieser Saison endlich fit bleiben können, ist er ein heißer Anwärter auf den MVP-Award. Zuletzt legte er 28.5 Punkte und 10.6 Rebounds auf, diese Zahlen könnte er nochmals steigern. 30 Punkte und 12 Rebounds pro Nacht gepaart mit der Rim Protection eines DPOY-Kandidaten? Bei Embiid absolut denkbar. Die Frage wird eher sein, ob Philly gut genug ist, um Embiid in die MVP-Diskussion zu katapultieren. Wird Ben Simmons überhaupt im Sixers-Trikot auflaufen? Wann kommt der Trade und welche neuen Mitspieler bekommt Embiid an die Seite gestellt? All das ist im Moment noch unmöglich abzuschätzen, doch Embiids individuelle Leistungen und Zahlen dürften auf MVP-Niveau sein.

Rookie of the Year: Cade Cunningham, Jalen Green, Jalen Suggs

Bei den meisten Experten und Buchmachern gilt Cade Cunningham als Favorit auf den ROY-Award. Der 20-Jährige war aus gutem Grund der erste Pick der vergangenen Draft und ist bei den Detroit Pistons sofort der Mittelpunkt der langfristigen Planungen. Cade kann als primärer Ballhandler oder neben einem Spieler wie Killian Hayes off-ball funktionieren, hat einen sauberen Wurf, enormes Playmaking-Talent und ist noch dazu schon jetzt ein solider Verteidiger. Ich habe keine Zweifel daran, dass er bei den Pistons sofort eine tragende Rolle einnehmen kann. Ich frage mich allerdings, inwiefern sich die Anwesenheit von Jerami Grant, Hayes und Saddiq Bey negativ auf seine individuellen Statistiken auswirken wird.

Deshalb erwarte ich ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den diesjährigen ROY-Trophäe. Denn Jalen Green wird bei den Houston Rockets alle Würfe bekommen, die er verkraften kann. Green ist ein explosiver Scorer, dem ich schon in seiner Rookie-Saison 20+ Zähler pro Nacht zutraue. Im Gegensatz zu Cunningham ist Green offensiv die klare erste Option bei seinem Team, was seine Statistiken am Ende der Saison wahrscheinlich für Wahlberechtigte ansprechender macht. Allerdings wird er in Sachen Playmaking, Rebounding und Defense nicht auf Cades Level agieren. Ich bin sehr gespannt, welches der beiden Talente das Rennen machen wird.

Bei meinem dritten Kandidaten habe ich mich schweren Herzens gegen Evan Mobley entschieden. Ich bin ein großer Fan des Big Mans, aber ich befürchte, dass er im Cavaliers-Frontcourt zu wenige Minuten sehen wird. Clevelands Verantwortliche haben für Jarrett Allen und Lauri Markkanen tief in die Tasche gegriffen und werden bestrebt sein, dass sich diese Investitionen in Form von Spielzeit auszahlt. Außerdem scheinen die Cavs nicht im Tanking-Modus zu sein, was die Produktivität von Rookies in der Regel einschränkt. Die Orlando Magic hingegen machen sich keine Win-Now-Illusionen und sind sehr dünn besetzt, was Top-Talente angeht. Jalen Suggs wird daher von Beginn an die Zügel in die Hand gedrückt bekommen. Inwiefern der Gonzaga-Guard dieses Vertrauen zurückzahlen kann, wird sich zeigen. Ich mag Suggs sehr und glaube, dass er als Anführer eines jungen Magic-Teams ein Wörtchen im ROTY-Rennen mitreden kann.

Defensive Player of the Year: Bam Adebayo, Rudy Gobert, Giannis Antetokounmpo

Ich könnte mir auch bei Draymond Green und Joel Embiid vorstellen, dass sie im Rennen um den DPOY-Titel ein Wörtchen mitreden können, am Ende habe ich mich aber für Bam, Gobert und Giannis entschieden. Beim Center der Utah Jazz bedarf es eigentlich keiner tiefergehenden Erklärung. Der Franzose gewann die Trophäe in den letzten vier Jahren dreimal und ist der amtierende Inhaber. Das defensive System der Jazz wurde um ihn herum aufgezogen und treibt Gegner (in der Regular Season) regelmäßig an den Rande der Verzweiflung. Auch Giannis‘ Case als DPOY wird davon untermauert, dass er den Award 2019/20 gewann und seit Jahren einer der besten Verteidiger der Liga ist. Ich rechne damit, dass die beiden Europäer mit den unverschämt langen Armen auch in diesem Jahr wieder eine Macht am defensiven Ende des Feldes sein werden.

Wenn ich Geld auf einen Kandidaten setzen müsste, wäre es Bam Adebayo. Der Big Man der Miami Heat kann sowohl in der Zone als auch am Perimeter dominieren und ist der Mittelpunkt einer ohnehin schon starken Heat-Defense. Miami hatte in der vergangenen Saison laut Cleaning the Glass ein Defensivrating von 111.7 – Platz 8 in der Liga. Sollten die Heat in dieser Saison eine Top-5-Defense stellen (was ich mir durchaus vorstellen kann), wird der Buzz für Bam als Defensive Player of the Year laut sein.

Most Improved Player: OG Anunoby, Jordan Poole, Michael Porter Jr.

Passende Kandidaten für den MIP-Award vorherzusehen, ist quasi Glücksspiel. Jede Saison gibt es reihenweise Spieler, mit denen man nicht rechnet und die sich dennoch plötzlich ins Rampenlicht spielen. Ich versuche es trotzdem mal. Jordan Poole ist ein Name, den so ziemlich jeder Experte in den letzten Wochen mindestens einmal in den Mund genommen hat. Der 22-jährige Shooting Guard der Golden State Warriors zeigte im Eröffnungsspiel gegen die Lakers direkt, warum viele in ihm einen heißen MIP-Kandidaten sehen. Mit 20 Punkten verhalf er den Dubs zum Sieg in Los Angeles – und nahm dabei elf Dreier! Dass Stephen Curry in dieser Partie drei Würfe weniger von jenseits der Dreierlinie abfeuerte, grenzt zwar an Gotteslästerung, unterstreicht aber auch Pooles Scharfschützen-Mentalität. Wenn er weiterhin jeden Ball in Richtung Korb feuert, der ihm in die Hände fällt, könnte er am Ende der Saison einen saftigen Punkteschnitt vorzuweisen haben – zumal noch nicht abzusehen ist, wann die Warriors wieder nennenswert auf Klay Thompson setzen können.

Auch mein zweiter Kandidat lässt sich in der Regel nicht zweimal bitten, einen Wurf zu nehmen. Michael Porter Jr. hat erst kürzlich eine fette Extension unterschrieben und wird den „Hatern“ beweisen wollen, dass er die Kohle tatsächlich wert ist. Ohne Jamal Murray wird sich MPJs Volumen an der Seite des amtierenden MVPs Nikola Jokić wahrscheinlich noch weiter steigern. Wenn der 23-Jährige seine irre Effizienz (66.3 % True Shooting) aus dem Vorjahr auch nur annähernd aufrechterhalten kann, darf man von ihm eine Menge erwarten.

Als dritten Kandidaten habe ich mich für OG Anunoby entschieden, der in der vergangenen Saison bereits einen großen Sprung gemacht hat, auch wenn das aufgrund der (hoffentlich nur vorübergehenden) Irrelevanz der Raptors kaum in der öffentlichen Wahrnehmung repräsentiert war. Das könnte sich 2021/22 ändern. Anunoby ist neben Fred VanVleet der Spieler, mit dem die Raptors am ehesten langfristig planen, seine offensive Rolle wird also auch in dieser Saison groß ausfallen – vor allem bis Pascal Siakam von seiner Verletzung zurückkehrt. OG machte 2020/21 im Schnitt 15.9 Punkte und traf fast 40 Prozent seiner Dreier. Die Frage, inwiefern ein großer statistischer Sprung, den ein MIP-Gewinner in der Regel vorweisen muss, möglich sein wird, ist durchaus berechtigt. Zuzutrauen ist es Anunoby dennoch allemal.

Sixth Man of the Year: Joe Ingles, Patty Mills, Tyler Herro

Meine Argumentation für Joe Ingles als 6thMan-Gewinner ist simpel: Er hätte den Award letzte Saison erhalten sollen. Sein Jazz-Mitspieler Jordan Clarkson wurde damals von den Votern präferiert, obwohl Ingles in meinen Augen klar Utahs bester Bankspieler war. Und auch in diesem Jahr könnte sein Einfluss auf die Jazz zu wenig wertgeschätzt werden, da der Australier kein Volume-Scorer von der Bank ist – ein Spielertyp, dem dieser Award traditionell oft verliehen wird.

Solche Spieler sind hingegen Patty Mills und Tyler Herro. Der 33-jährige Routinier ist neu bei den Brooklyn Nets und bewies direkt im ersten Spiel gegen die Bucks, was er im Trikot des Titelfavoriten abliefern kann. 21 Punkte und 7/7 Dreier in 29 Minuten! Mit solchen Statlines spielt man sich schnell in die 6thMan-Konversation. In Abwesenheit von Kyrie Irving wird Mills oft damit beauftragt werden, die Bank-Lineups der Nets anzuführen, wenn Kevin Durant und James Harden eine Verschnaufpause brauchen. Mit seinem exzellenten Shooting kann Mills aber auch problemlos neben einem der beiden Superstars agieren.

Auch von Tyler Herro erwarte ich in dieser Saison viel. Nach einer fabelhaften Rookie-Saison ist der Heat-Guard in seinem zweiten Jahr stark abgekühlt. Doch jetzt könnte er als sechster Mann wieder eine große Scoring-Last schultern. In der Preseason waren Herros Leistungen sehr vielversprechend – ich bin gespannt, ob er diese Form auch in der regulären Saison abrufen kann. Übrigens: Auch wenn er es nicht in meine Top-3 geschafft hat, kann ich mir gut vorstellen, dass Dennis Schröder eine Chance auf den Award hat. Bei den Boston Celtics wird er vermutlich von der Bank kommen und in Abwesenheit von Jayson Tatum und Jaylen Brown einen großen Teil der offensiven Verantwortung tragen. Dennis spielt um einen neuen Vertrag im kommenden Sommer und wird nach dem enttäuschenden Ende seiner Zeit bei den Lakers umso bestrebter sein, eine starke Saison (mit ansprechenden individuellen Zahlen) zu spielen.

Coach of the Year: Nate McMillan, Ime Udoka, Rick Carlisle

Der Coach-of-the-Year-Award ist de facto oftmals so etwas wie ein Coach-of-the-Most-Surprising-Team-Award. Deswegen habe ich mich für drei Coaches entschieden, deren Teams in meinen Augen die Erwartungen der meisten NBA-Fans übertreffen könnten. Nate McMillan übernahm die Atlanta Hawks kurz vor dem letztjährigen All-Star-Break und machte aus ihnen im Handumdrehen einen Conference-Finalisten. Ich glaube, dass die Hawks in dieser Saison gut und gerne eines der besten drei Teams im Osten sein können, nachdem sie nun erstmals eine komplette Vorbereitung unter McMillan bestreiten konnten.

Mit Ime Udoka übernimmt ein Rookie-Headcoach das Ruder bei den Boston Celtics. Die Kelten haben eine eher enttäuschende Spielzeit hinter sich, in der sie nur auf Rang 7 im Osten landeten und in der ersten Playoff-Runde sang- und klanglos ausschieden. Ich traue Boston in dieser Saison einen großen Sprung nach vorne zu, wenn Tatum und Brown fit bleiben. Ein Sprung vom Play-In-Team auf Rang 4 oder 5 könnte Udoka in seiner ersten Saison einige Stimmen einbringen.

Gleiches gilt für Rick Carlisle, der sich von den Dallas Mavericks getrennt und die Indiana Pacers übernommen hat. Unter Nate Bjorkgren lief in Indianapolis in der abgelaufenen Saison nur wenig nach Plan, was unter anderem auch an anhaltendem Verletzungspech lag. Die Quittung war ein enttäuschender 9. Platz und ein Aus im Play-In-Turnier. Routinier Carlisle zählt in meinen Augen noch immer zu den besten Coaches der NBA und könnte der zweifelsohne talentierten Pacers-Truppe neues Leben einhauchen. Wenn Indiana die direkte Playoff-Teilnahme sichern kann, könnte Carlisle zum Coach of the Year gewählt werden.

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